Rezension

Einzigartige Perspektive

Der ehrliche Finder
von Lize Spit

Bewertet mit 5 Sternen

Die flämische Bestsellerautorin Lize Spit ist bekannt für ihre nervenaufreibenden Romane über psychische Ausnahmesituationen. Auch mit "Der ehrliche Finder" nimmt sie sich kein leichtes Thema vor, jedoch ist die Stimmung hier gelöster, teilweise heiter und würde inhaltlich auch Kindern gerecht werden.

Zwei Jungen, die einander brauchen. Der 12-jährige Jimmy ist in der Schule ein Außenseiter, klug, viel alleine, vor allem seit sein Vater die Familie verlassen hat. Er fokussiert sich ganz auf seine Sammelleidenschaft bis Tristan in seine Klasse kommt. Tristan, der mit seinen Eltern und seinen sieben Geschwistern aus dem Kosovo nach Belgien geflohen ist. Jimmy bringt Tristan die belgische Sprache bei, Tristan lässt Jimmy Teil seiner großen Familie sein. Bis eine schlechte Nachricht ihre Freundschaft auf die Probe stellt und beide in Gefahr bringt.

Der Roman ist konsequent aus der Sicht von Jimmy geschrieben. Eine Kinderperspektive, die gerade aufgrund des eigenwilligen Erzählers unvermuteten Zauber im Alltäglichen entdeckt, sich überraschen lässt, Bestandteile der Realität spielerisch zu einer ganz eigenen Logik zusammenfügt. So entwickelt Lize Spit einen besonderen Tonfall, der die Themen Flucht, Krieg, Asylsuche, Integration unmittelbar erzählt, ohne Einbettung in gesellschaftliche Diskurse, stattdessen mit Fokus auf den sinnlichen Wahrnehmungen. Es ist gerade der harte Kontrast zwischen der kindlichen Naivität und der gnadenlosen Realität, der eine neue Perspektive möglich macht. Inspiriert ist der Roman von der wahren Geschichte einer zehnköpfigen Familie in Lize Spits Heimatdorf, die in den 90er-Jahren abgeschoben werden sollte und nach massiven Protesten doch bleiben durfte. Für mich ein sehr lesenswerter Roman mit starker Erzählstimme und einzigartiger Perspektive!