Rezension

Ernstzunehmende Gesellschaftskritik fade umgesetzt

Das flüssige Land
von Raphaela Edelbauer

Bewertet mit 3 Sternen

Ruth, Physikerin, tablettensüchtig, arbeitet an der Uni und möchte ihre Habilitationsschrift zum Thema Zeit fertigstellen. Ihre Eltern, zu denen sie kaum noch Kontakt hatte, verunglücken bei einem Autounfall tödlich. Ihre Tante sagt ihr, dass die Eltern sich eine Beerdigung in ihrem Heimatort, in Groß- Einland gewünscht haben. Daraufhin macht sich Ruth kurzerhand auf die Suche nach diesem Ort, der auf keiner Landkarte verzeichnet ist. Sie wird trotzdem fündig. In Groß- Einland gelten indes recht eigene Gesetze und Verhaltensweisen. Im Grunde herrscht hier eine Monarchie, da sämtliche Grundstücke der Gräfin gehören. Zudem gibt es ein großes Loch, welches sich bewegt, sich ausweitet und die Bauwerke und das Leben der dort Ansässigen bedroht. So richtig scheint es aber niemanden zu kümmern. "Groß-Einland war verrückt". Ruth bleibt dort und wird von der Gräfin angestellt, um ein Füllmittel für das Loch zu finden.

Die Sprache gefiel mir häufig nicht und verhinderte einen Lesefluss. Adjektive und Substantivierungen wurden häufig gebraucht, das wirkte sehr überbordend und oft auch etwas künstlich und übertrieben. ("götterspeisenhafte Zeitlosigkeit", "nadelige Unergrünlichkeit dampfte mir ätherisch ins Hirn") Im Verlauf wurde das ein wenig besser.

Gerade anfangs wunderte ich mich noch über Logikfehler, schob diese aber bald zur Seite, weil klar wurde, dass es sich um eine Groteske handelte. Grundsätzlich fehlte mir hierbei aber leider der Humor. Die Story empfand ich als dröge, ohne rechte Spannung, ohne Pfiff. Die Figuren blieben mir egal und fern, sie berührten mich nicht. Ich langweilte mich, fand vieles vorhersehbar, überlegte auch mehrfach abzubrechen, wollte aber dennoch wissen, welches Ende der Roman findet.

Zudem gefielen mir auch einige Dinge: die Grundidee des Loches innerhalb dieses Ortes; das österreichische Flair; das Aufs- Korn- Nehmen von Spiessbürgerlichkeit sowie typischer Gebräuche und Gewohnheiten; desweiteren die eingestreuten kurzen Informationen über schwarze Löcher und das Doppelspaltexperiment.

Am besten gefiel mir jedoch der Spiegel, der hier der (nicht nur österreichischen) Gesellschaft vorgehalten wird. Ein recht praktisches Loch, in das alle Dinge gekippt werden, an denen man schuldig geworden ist, alle Dinge, die man unangenehm findet. So werden die Probleme kurzfristig vernichtet, statt langfristig gelöst. Konstruktiv handelt hier keiner. Das kollektive Vergessen, die Verdrängung und Vertuschung der Verbrechen im Nationalsozialismus wird hier konkret angeprangert. Nicht nur dass, sondern auch das bewusste Inkaufnehmen von Umweltzerstörung, die enge Verzahnung von Politik und Wirtschaft, Geld und Macht, der Verlust der Demokratie und auch fehlende politische Handlungsbereitschaft werden angemahnt.

Einen positiven Ausblick gibt Edelbauer nicht: Die alte Generation baute auf und verdrängte, die neue Generation erkennt und schweigt – und sieht das Schweigen als größten Akt der Rebellion.

Fazit: Ein Lesegenuss war es für mich nicht, aber die angesprochenen Thematiken sind wichtig, gesellschaftsrelevant, nachdenkenswert und disskussionswürdig.