Rezension

Es waren einmal vier Freunde...

The Dry - Jane Harper

The Dry
von Jane Harper

„The Dry“, das Debüt der australischen Autorin Jane Harper sorgte bereits kurz nach der Veröffentlichung für Furore, weil sich die Schauspielerin und Produzentin Reese Witherspoon die Filmrechte sicherte. Dass Witherspoon ein glückliches Händchen mit ihren Literaturverfilmungen hat, wissen wir seit dem Film „Der große Trip“ (nach der Vorlage von Cheryl Strayed), in dem sie die Hauptrolle spielte und für einen Oscar nominiert wurde.

Worum geht es in „The Dry“? Kiewarra, eine Kleinstadt irgendwo im australischen Nirgendwo, leidet unter einer unsäglichen Hitzewelle. Die Böden sind komplett ausgetrocknet, das Gras verdorrt, die Tiere krepieren elendiglich, Existenzen gehen den Bach runter, die Luft brennt. Da ist es nicht weiter verwunderlich, dass der eine oder andere komplett durchdreht und schreckliche Dinge tun. Wie der Farmer Luke Hadler, der seine Frau und seinen kleinen Sohn erschießt und zuletzt sich selbst eine Kugel in den Kopf jagt. Nur das Baby verschont er.
Lukes Jugendfreund Aaron Falk, mittlerweile in Melbourne bei der Polizei tätig, reist nach Kiewarra, um ihn auf seinem letzten Weg zu begleiten. Und da der ortsansässige Polizist Zweifel an der Selbstmordtheorie hat, bittet sowohl er als auch der Vater des Toten Falk um Unterstützung bei den Ermittlungen, was in dem Städtchen gar nicht gerne gesehen wird. Denn Ereignisse aus der Vergangenheit werfen lange Schatten auf die Gegenwart.

Es waren einmal vier Freunde: Luke, Aaron, Gretchen und Ellie, eine verschworene Gemeinschaft, bis Ellie eines gewaltsamen Todes stirbt und Aaron des Mordes verdächtigt wird. Luke gibt ihm ein Alibi, aber die Zweifel an Aarons Schuld bleiben. Und auch zwanzig Jahre später wird er noch immer misstrauisch beäugt…

Die Autorin lässt sich die Zeit, die sie benötigt, um die Geschichte um Ellies Tod zu entwickeln. Akkurate Beschreibungen der Ermittlungen in der Gegenwart werden immer wieder von Rückblenden in die Vergangenheit unterbrochen und lassen nach und nach ein stimmige Bild der damaligen Geschehnisse entstehen.

Mich hat Jane Harpers Erstling angenehm überrascht, aber ich hatte auch keinen Thriller, sondern eher etwas Richtung „Aussie Noir“ erwartet, und dieser Erwartung entspricht „The Dry“. Harper zeichnet in eindringlichen Bildern das Porträt einer Kleinstadt am Abgrund, die ihren Bewohnern nichts, aber auch gar nichts zu bieten hat. Dazu diese unsägliche Hitze, die buchstäblich jeden Funken Hoffnung verdorren lässt und alte Animositäten an die Oberfläche spült, was man den noch nie wohlgelittenen Rückkehrer Aaron Falk deutlich spüren lässt.

„The Dry“ ist eine Geschichte von Erwartung und Enttäuschung, Freundschaft und Loyalität, Misstrauen und Vergebung, und nicht zuletzt von Heimat.