Rezension

Ich bin zufrieden *****

Aenne und ihre Brüder -

Aenne und ihre Brüder
von Reinhold Beckmann

Bewertet mit 5 Sternen

Die wahre Geschichte seiner Mutter Aenne schreibt Reinhold Beckmann in diesem Buch nieder. Beginnend mit ihrer Geburt im Jahre 1921, einer Kindheit, geprägt vom Verlust der Mutter und später auch des Vaters, erstreckt sich die Erzählung über Propaganda, Krieg und Start in ein neues Leben. Sachliche und gleichzeitig berührende Worte findet Beckmann, während er seinen Onkeln Jahrzehnte später über deren Feldpost begegnet, die Aenne sorgsam bis über ihren Tod hinaus aufbewahrt hat.

Ein sehr katholisches Dorf ist Wellingholzhausen, die Menschen gottesfürchtig und obrigkeitshörig. Hier wird Anna Maria Haber, genannt Aenne, geboren als Tochter des Schustermeisters Mathias und seiner Frau Elisabeth. Anschaulich schildert Beckmann das Leben nach dem Ersten Weltkrieg, schwierig, aber trotzdem hoffnungsvoll. Dass das Schicksal eine schwere Bürde für seine Mutter Aenne bereithält, hat zu diesem Zeitpunkt noch niemand wissen können. Anders als viele Menschen nach dem Zweiten Weltkrieg hält Aenne die vergangene Zeit lebendig mit Erzählungen und Erinnerungen an ihre Eltern, ihre Stiefeltern und ihre Brüder, die alle vier ihr „Leben für das Vaterland gelassen haben“. Sie ist nicht in Verbitterung erstarrt, sondern hat stets nach vorne geblickt.

Abwechselnd schildert der Autor das Leben seiner Großeltern und deren Kinder am Land, fügt sachliche zeitgeschichtliche Informationen ein und verbindet später Aennes Biografie mit den Briefen ihrer Brüder vom Feld. So entsteht eine überaus interessante Mischung aus historischen Fakten und ganz persönlichem Schicksal, welche dieses bewegende Buch so lesenswert werden lässt. Ein wunderbares Portrait, welches Beckmann hier zeichnet und ein berührendes Andenken an seine Onkel, die er nie kennenlernen durfte. Wie hat das alles passieren können, warum hat keiner etwas dagegen unternommen – auch diese Fragen werden in einem ganz persönlichen Kapitel beleuchtet von einem jungen Reinhold Beckmann, der selbst in den 1970er-Jahren nur schwer verstehen kann, was seine Großeltern und Eltern nicht verhindert haben. Die Aufarbeitung ist verständlich und nachvollziehbar gelungen, ein Rückblick ohne Vorwürfe und Anschuldigungen findet Raum in diesem sehr persönlichen Werk. Aennes Antwort: „Ich bin zufrieden“, auf die Frage, wie es ihr gehe, ist ein hoffnungsvoller Satz, dem es nichts mehr hinzuzufügen gibt.

Sachlich und individuell zugleich ist diese Biografie, die Erinnerung an eine bemerkenswerte Frau, welche – ebenso wie viele andere – nicht in Vergessenheit geraten darf. Dafür kann es nur eine klare Leseempfehlung geben!