Rezension

Beeindruckend, berührend und leider aktuell

Aenne und ihre Brüder -

Aenne und ihre Brüder
von Reinhold Beckmann

Bewertet mit 5 Sternen

Warum lernen wir nichts dazu?

Bereits beim Lesen des Prologs der 26 Seiten umfassenden Leseprobe von Reinhold Beckmanns am 31. 08. 2023 unter der ISBN 9783549100561 im Verlag Propyläen erschienenem 352-seitigen biografischen Sachbuch "Aenne und ihre Brüder - Die Geschichte meiner Mutter" hatte ich "Augenpipi", schlummert doch bei mir ein Päckchen mit Feldpostbriefen meines im Krieg gebliebenen Großvaters an seine Frau und die 3 kleinen gemeinsamen Kinder, von denen heute nur noch meine Mutter am Leben ist. Aufgrund ihrer Beschreibung habe mich noch nicht sie zu lesen getraut, werde dies jetzt jedoch schleunigst nachholen.
Kurz vor ihrem Tod erhielt der Verfasser von seiner Mutter, einer geborenen Anna Maria Haber, genannt "Aenne", einen in Sütterlin geschriebene Feldpostbriefe ihrer im Krieg gebliebenen Brüder Alfons, Hans, Franz und Willi enthaltenden Schuhkarton. Sie hatte ihrem Sohn aber - im Gegensatz zu vielen anderen Menschen ihrer Generation - schon früher viel aus ihrem Leben erzählt. Zusätzlich recherchierte der Autor auch in Quellen wie der Dorfchronik des nahe Osnabrück gelegenen Dorfes Wellingholzhausen.
Aenne und die Brüder sind auf dem Cover zu sehen, die Briefe im Einband.
Verständlicherweise ist der Schreibstil recht emotional, gelegentlicher Dialekt wird übersetzt und die überwiegend kurz gehaltenen Abschnitte erleichtern das Verständnis.
Es ist berührend, vom Schicksal der 4 jungen Männer zu lesen, von ihren Träumen, Sehnsüchten und Hoffnungen für das Leben nach dem Krieg - welches es dann leider für keinen von ihnen mehr geben sollte. Es werden keine Einzelheiten zum Kriegsgeschehen erwähnt, das kann der Zensur oder aber den Ängsten vor eben dieser Zensur oder davor, den lieben Daheimgebliebenen nur noch größere Sorgen zu bereiten, geschuldet sein. 
Gleichzeitig gewährt das Buch einer Milieustudie ähnlich Einblicke in den Alltag daheim, die Sorgen um Verwandte, Liebste, Freunde oder gute Bekannte an der Front,  Einschränkungen durch den Krieg, das daraus resultierende Zusammenhalten der Dorfgemeinschaft, Gedanken über die Haltung vieler Kirchenobersten...
Reinhold Beckmann begann dieses Buch wenige Tage vor dem russischen Angriff auf die Ukraine.

Fazit: Uneingeschränkte Leseempfehlung!