Rezension

Philosophische Abhandlung über das Übersetzen meets Sachbuch über Kolonialismus

Babel -

Babel
von Rebecca F. Kuang

Bewertet mit 3 Sternen

Das neuhochdeutsche Wort „verraten“ bedeutete ursprünglich „durch falschen Rat irreleiten“, und damit mir das keiner vorwerfen kann, sei hier vorneweg gesagt, dass das Buch wirklich gut geschrieben ist, mit einem schönen, bildlichen Schreibstil und vielschichtigen Charakteren. Mit dem Silberwerkt, das aus irgendeinem unerfindlichen Grund nicht im Klappentext erwähnt wird, schafft Kuang ein interessantes pseudo-wissenschaftliches Magiesystem, welches auf Sprachwissenschaft fußt.

Die Einführung in das alternative Oxford der späten 1830er und die Handlung an sich ist verständlich geschrieben. Tatsächlich ist dies einer der wenigen Romane, die zu Recht „dark academia“ genannt wird, da die Etymologie und Übersetzungstheorie einen großen Bestandteil ausmachen. Es ist definitiv keins der Bücher, die willkürlich eine Uni als setting verwenden, das Studium des Protagonisten Robin Swift ist gewissermaßen Dreh- und Angelpunkt der Handlung. Allerdings wirken die Passagen, die sein Leben und seine Beziehung zu seinen Freunden während der Studienzeit erzählen seltsam gerafft. Es finden Zeitsprünge statt, aber das entschuldigt nicht, dass Vieles lediglich zusammengefasst und dem Leser zu oft die Möglichkeit des Miterlebens genommen wird. Beispielsweise hätten konkrete Szenen, in denen der Zusammenhalt und eventuell ein gemeinsames Problemlösen der vier Hauptcharakter zum Ausdruck kommt einiges dazu beigetragen, die Freundschaft glaubwürdiger und plastischer zu machen. Aus den Figuren und Figurenkonstellationen hätte man deutlich mehr herausholen können. Richtige Spannung kam für mich erst im letzten Drittel auf.

Vielleicht aber ist genau das mein Problem mit dem Roman: im Mittelpunkt stehen nicht die Figuren oder das Silberwerk sondern die Themen Imperialismus und Rassismus (mit Spuren von Feminismus). Ein Fan historischer Fantasy kommt nicht auf seine Kosten, aber eine alternative Geschichte ist es auch nicht und erst recht kein historischer Roman. Tatsächlich sind historische Sachverhalte stark vereinfacht und dadurch öfters fehlleitend verzerrt. Gleichzeitig werden bspw. rassistische Mikro- und Makroaggressionen mit nur dargestellt, sondern so ausgiebig reflektiert dass man sich fragt, ob die Autorin die Leserschaft für begriffsstutzig hält. Da hätte ich mir etwas mehr Subtilität gewünscht.

 

Alles in allem ein durchaus lesenswerter Genremix, der mich allerdings nicht überzeugen konnte.