Rezension

Schwierige Familiendynamik auf dem Land

Krummes Holz
von Julja Linhof

Bewertet mit 4 Sternen

Es ist Hochsommer auf dem Land. Jirka ist 19 und kehrt nach mehreren Jahren Abwesenheit zurück an den Hof seiner Familie. Diese Reise zu den Wurzeln fällt ihm schwer, denn in der Vergangenheit ist viel passiert, das nie aufgearbeitet wurde. Jirkas ältere Schwester Malene empfängt ihn noch dazu mit kühlem Schweigen, sein Vater Georg ist abwesend, seine Großmutter mittlerweile dement geworden. Und dann ist da noch Leander, Sohn des verstorbenen Hofverwalters, von dem eine gewisse Faszination ausgeht.

Zerrüttete Familie, Rückkehr aufs Land, Sprachlosigkeit, Coming of age, Queerness und eine Prise Mystery. Klingt nach einer interessanten Mischung, oder? Ist es auch. Noch dazu kann Julja Linhof ausgezeichnet schreiben. Sehr authentisch fühlt sich das alles an, die ländliche Atmosphäre, der trockene Hochsommer, die Anspannung und Sprachlosigkeit zwischen den Figuren. Besonders eindringlich sind die Beschreibungen der Natur und des alten Hofes.

Auch die Verflechtung von Gegenwart und Vergangenheit ist sehr gut gelungen. Während Jirka sich durch das Haus und die Landschaft bewegt, stoßen Erinnerungen an die Oberfläche, alte Konflikte und Traumata werden immer sichtbarer. Die Geschichte kommt zudem in sehr schöner Sprache daher. Viele Sätze habe ich zwei- oder dreimal gelesen, weil ich sie so schön und treffend fand. Trotzdem (oder gerade deshalb?) fiel es mir schwer, so richtig in den Leseflow zu kommen. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich den Figuren nicht ganz nah kommen konnte. Da blieb ein gewisser Abstand, und irgendwie ist das auch wieder konsequent. Ein Buch, an das ich sicherlich noch länger denken werde.