Rezension

Sommerliche Heimkehr

Krummes Holz
von Julja Linhof

Bewertet mit 4 Sternen

Nach sechs Jahren im Internat kehrt der 19jährige Jirka auf den heimatlichen Hof zurück. Als Anlass nimmt er seinen Musterungsbescheid, allerdings hatte seine ältere Schwester Malene ihn vor einigen Wochen gebeten, zu kommen. Damals ist er einfach nicht gefahren. Kein Wunder, dass Malene ihm nicht vor Freude um den Hals fällt. Überhaupt hat sich auf dem Hof einiges verändert. Alles wirkt heruntergekommen und renovierungsbedürftig. Großmutter Agnes zeigt Anzeichen einer Demenzerkrankung und sein Vater ist nirgends zu sehen. Nur Leander, der in zufällig auf der Straße aufgabelt, redet mit ihm. Aber auch er erweckt nicht den Eindruck, als würde er sich besonders freuen.

 

Es ist Sommer, die neue deutsche Welle läuft im Radio und eigentlich könnte es wie Ferien sein, das alte Zimmer ist noch da, die Küche ist noch da, die Oma ist noch da, die Schwester ist noch da. Jedoch fühlt sich nichts richtig und einfach an. Erinnerungen kommen wieder hoch an Ereignisse, die Jirko überwunden glaubte. Und er kann es nicht anders sagen, er fühlt sich fremd. Nur Leander behandelt ihn halbwegs normal, auch wenn er ihm eindeutig klarmacht, dass er sich an den anfallenden Arbeiten beteiligen soll. Dass  die einst resolute Großmutter Agnes sich sehr verändert hat, muss Jirka auch noch verdauen.

 

Schon nach den ersten paar Sätzen packt einen dieser Roman, weil er Erinnerungen weckt. Jirkas Familie ist nach dem Krieg ins Sauerland gekommen. Sie haben eine Fluchtgeschichte wie so viele Menschen nach dem zweiten Weltkrieg. Obwohl Jirko mit dem Krieg zum Glück nichts mehr zu tun hat, so ist seine Kindheit doch von der Geschichte der Eltern geprägt. Es herrscht eine gewisse stumme Härte, die sich auch bei den Kindern fortsetzt. Der sensible Jirko leidet unter der Situation und unter seinem Vater. Malena dagegen wehrt sich und wird selber härter und stummer. Beeindruckend zu lesen, wie sich in diesem heißen Sommer einiges verändert. Und das nicht auf die leichte Tour, eher ist es wie eine Tour de Force. Und doch gibt es für Jirka auch einige schöne dichte Momente. Und so erfühlt man diesen Roman und denkt auch an die eigene Vergangenheit, die vielleicht weniger turbulent war, aber der sich dennoch das Schicksal der Eltern im Leben der Kinder widerspiegelt. Ein sehr lesenswerter Roman, der schon mit seinem Cover einen Hingucker präsentiert.