Rezension

Sehr düster mit kaum Entwicklung

Aus dem Haus -

Aus dem Haus
von Miriam Böttger

Bewertet mit 3 Sternen

"Aus dem Haus" ist das Debüt der Autorin Miriam Böttger. Das berücksichtige ich bei meiner Beurteilung des Buches mit und gebe dem Buch - schwankend zwischen 2 und 3 Sternen - nun doch 3 Sterne.

Wie komme ich zu dieser Beurteilung?

Zuerst einmal: für mich war das kein angenehmes Buch zu lesen und ich habe mich trotz der kurzen Kapitel streckenweise so gelangweilt, dass ich es vermutlich abgebrochen hätte, wenn ich es nicht im Rahmen einer Leserunde gelesen hätte. Es geht um eine Familie und diese ist, wie aus einem Interview mit der Autorin zu erkennen und auch aus der Lektüre des Buches zu vermuten ist, wohl die eigene Herkunftsfamilie der Autorin, und deren notorische Depressivität und Unzufriedenheit mit dem Leben. 

Eigentlich ist es eine materiell gut gestellte Mittelstandsfamilie und es passiert außer der inneren Einstellung der Charaktere kein existenzielles Unglück, dennoch wird nur gejammert, genörgelt und alles durch die negative Brille betrachtet, ob nun das (300 Quadratmeter große und selbst geplante und in Auftrag gegebene) Eigenheim in Kassel, Kassel selbst und die dort lebenden Menschen, sämtliche anderen Menschen usw. 

Das passiert insbesondere durch die Mutter (so wie wir sie aus Sicht der Tochter kennen lernen), aber auch durch die Tochter/Erzählerin, durch deren Blickwinkel auch so ziemlich alle anderen Charaktere (z.B. diverse weitere Verwandte) und Umstände im Buch negativ erscheinen. Der einzige Kontrastpunkt dazu ist die Vergangenheit, die jeweils verklärt wird: viele Jahrzehnte lang ist das das zurück gelassene Leben in Süddeutschland, später aber auch, sobald man es nicht mehr hat, das für alles Unglück verantwortlich gemachte Haus in Kassel. 

Für alles sonst, was in der Gegenwart jeweils positiv sein könnte - ein recht hoher materieller Wohlstand, Zuwendungen anderer Menschen etc. - scheint es keinerlei Dankbarkeit oder Wertschätzung der Charaktere zu geben. Der Vater bleibt eher blass gezeichnet, sich den Launen der Mutter und Tochter hingebend und still leidend. 

Unrealistisch finde ich die Figuren nicht, ich kenne solche Menschen und Familiendynamiken durchaus aus meinem eigenen Umfeld und finde sie damit treffend gezeichnet, wenn auch aus einem sehr negativen Blickwinkel heraus und leider ohne Charakterentwicklung. Auch wenn sich die Darstellung der Familie über Jahrzehnte hinzieht, fühlt es sich beim Lesen eher wie eine Momentaufnahme an, als wie eine Geschichte, und es gibt auch keinen wirklichen, interessanten Spannungsbogen.

Das Buch zieht einen beim Lesen in eine sehr düstere, dunkle Wolke einer unglaublich negativen Lebenseinstellung mit hinein. Das macht es so unangenehm... andererseits kommt ein Teil der Sterne, die ich nun doch vergebe (immerhin sind es nicht 0) daher, dass diese Negativität und dieses Unglück durchaus sehr authentisch geschildert werden und zwar so, dass wir beim Lesen diese Gefühle mitempfinden, so unangenehm sie auch sein mögen. 

Darin zeigt sich wiederum das schriftstellerische Talent der Autorin, ebenso wie durch vereinzelte extrem treffende und gute Formulierungen (z.B. die im Klappentext erwähnte, dass jede Familie ihre eigene Sekte sei und um irgendeine Vorstellung kreise, bei ihrer Familie sei es die Vorstellung vom Unglücklich-Sein), die aber wiederum stilistisch durch ebenfalls oft vorkommende, mühsam zu lesende, ewig lange Schachtelsätze überschattet werden.

Insgesamt hat das Buch einiges an Potential und hätte mit einer grundlegenden Überarbeitung durchaus ein sehr lesenswertes und gutes Buch werden können. Die Hintergrundthematik, Menschen darzustellen, die so eine negative Lebenseinstellung haben, dass sie durch nichts zufrieden zu stellen sind, ist eine sehr interessante, und das damit verbundene Gefühl zu vermitteln, gelingt der Autorin auf authentische Weise. 

Gewünscht hätte ich mir dennoch mehr Charakterentwicklung, mehr Spannung, mehr Handlung, prägnantere Sätze (an manchen Stellen gelingt dies, an anderen weniger) und insgesamt damit ein interessanteres Leseerlebnis. Außerdem entweder vielfältigere Perspektiven oder mehr Informationen über die Tochter/Ich-Erzählerin, die abgesehen von ganz seltenen eingestreuten Details für mich als Figur sehr blass bleibt (vielleicht aber auch ein Stilmittel, um zu zeigen, wie sehr dieses unglückliche Familiensystem sie verschlungen hat). 

Die Autorin hat aber zweifellos Talent und ich bin gespannt auf weitere Bücher von ihr, die vielleicht dann über diese Anfangsschwierigkeiten hinausgehen werden.