Rezension

Geballte Undankbarkeit

Aus dem Haus -

Aus dem Haus
von Miriam Böttger

Bewertet mit 2 Sternen

Kurzmeinung: Ob das Leben gelingt, hängt auch von der Lebenseinstellung ab.

Ich weiß nicht mehr genau, was drin stand, außer dem Titel habe ich nichts Spezielles von dem Kurzgeschichtenbüchlein Ephraim Kishons behalten, doch sein Titel „Dreh dich nicht um, Frau Lot“ enthält eine tiefe Lebensweisheit. Wer seinen Lebensblick immerzu nach hinten richtet, das Vergangene verklärt und ihm nachtrauert, wird in der Gegenwart nicht heimisch.
Die Eltern der unbenannten Icherzählerin haben ihre Umsiedlung aus dem beseelten schwäbischen Weinheim nach Kassel nie verkraftet, obwohl das Familienoberhaupt beruflich einen Aufstieg in einem Kasseler Autowerk erlebt und deshalb reichlich Geld zur Verfügung steht. Aber es ist nicht genug, um mit der Haute Volée Kassels mitzuhalten, und zuviel, um mit dem „gemeinen Volk“ Umgang zu pflegen. Mit diesen Gegebenheiten können sich die Protagonisten von Miriam Böttgers Debütroman nicht abfinden. Weil sie sich weigern, das Gute in ihrem Leben zu genießen, bleiben die Bewohner des in Kassel neu gebauten Hauses ewig isolierte, unzufriedene, rückwärts gewandte undankbare Menschen, bis sich diese Lebenseinstellung auf alle Erscheinungsformen des täglichen Lebens auswirkt.

Der Kommentar und das Leseerlebnis:
Die geballte Undankbarkeit der Protagonisten gegenüber dem Leben sowie ihr Unwillen, sich rechtzeitig von geplatzten Lebensträumen zu verabschieden, zusammen mit ihrem Dünkel, ihrer Egozentrik und Selbstbespiegelung, ist schwer zu ertragen. Sie haben nicht vor, die Zitronen, die ihnen vom Schicksal gereicht werden, auszupressen, um Limonade daraus zu machen, im Gegenteil, ihr Motto lautet: „Ich bin vom Unglück verfolgt, wo ich gehe und stehe … wahrscheinlich lastet sogar ein Fluch auf mir“. Wenn man eine solche Lebenseinstellung tatsächlich verinnerlicht, hat das Leben keine Chance, sich durchzusetzen.

Fazit: Ich hätte darüber lachen können, wenn der Roman sich dafür entschieden hätte, richtige Comedy zu sein, aber das ist nicht der Fall. Es fehlt die Leichtigkeit und der Esprit, zu viel Bitterkeit ist im Spiel. Und einem Drama tut Lächerliches und überspitzte Bosheit nicht gut. So ist das Ganze weder Fisch noch Fleisch.

Kategorie: Unterhaltung.
Verlag: Galiani Berlin, 2024

Kommentare

Emswashed kommentierte am 25. September 2024 um 17:43

Ich könnte Dir für die Rezi  zustimmend zunicken, komme aber aus dem Kopfschütteln beim Lesen des Buches nicht heraus. ;-))

wandagreen kommentierte am 25. September 2024 um 18:17

Es ist erstaunlich, wie viele Leute diesen Roman mögen und ihn mit vielen Sternen ehren.