Rezension

Sehr persönlich

Solito -

Solito
von Javier Zamora

Bewertet mit 5 Sternen

Wann immer über Flüchtlinge während der letzten 80 Jahre gesprochen wird, denkt man an jene die aus der Ukraine, Asien, Afrika sowie an die jüdische Bevölkerung, die aus Nazi-Deutschland geflohen sind. Dabei vergisst man häufig, dass auch in Mittel- und Südamerika Menschen gezwungen sind/waren, vor einem Bürgerkrieg und/oder einem Diktator zu fliehen. Dieses Buch, das die Flucht des damals neun-jährigen Javier Zamora im Jahr 1999 beschreibt, erinnert daran.

 

Die Zamoras leben in den 1990er-Jahren in El Salvador und fliehen als dort der Bürgerkrieg (1980-1991) ausbricht. Zuerst die Mutter, dann der Vater. Näher Begründungen gibt es nicht. Der kleine Javier bleibt zunächst bei den Großeltern zurück, weil die Schlepper die Reise eines kleinen Kindes für zu gefährlich halten. Erst 1999, mit neun Jahren, darf er sich auf die gefährliche und lange Reise machen, die von den Eltern, die inzwischen in den USA leben, und den Großeltern generalstabsmäßig und heimlich vorbereitet wird.

 

Auf seinem Weg in die USA schippert er mit zahlreichen anderen Flüchtlingen mehrere Tage die Pazifikküste entlang, bis die Gruppe wieder an Land kann. Anschließend durchquert er mehrere Länder illegal, bis er schließlich nach mehreren Versuchen die US-Grenze überwindet.

 

Meine Meinung:

 

Mit diesem Buch arbeitet Javier Zamora mit Hilfe seiner Therapeutin seine eigene Fluchtgeschichte auf. Daher ist die die Geschichte aus seiner, Javiers, Perspektive erzählt. Manchen Lesern wird der detailreiche und bildhafte Schreibstil ein wenig sonderbar vorkommen. Doch ich glaube, die Erlebnisse haben sich so in Javiers Unterbewusstsein gebrannt, dass sie mit Unterstützung der Therapeutin wieder an die Oberfläche geholt worden sind.

 

Interessant ist zu lesen, worüber sich der kleine Javier auf dieser mehr als sieben Wochen dauernden Reise Gedanken macht. Dass er dicklich ist und in der Schule damals wegen seiner fast weiblichen Brüste verspottet worden ist, weshalb er sich vor den Mitgliedern der Flüchtlingsgruppe nicht ausziehen will, oder dass er nie zuvor seine Wäsche waschen musste und sich geniert, weil er so stinkt.

 

Die vielen spanische Wörter haben mich nicht gestört. Einerseits kann ich italienisch und daher kann ich einiges herleiten und andererseits macht das die Geschichte authentisch.

 

Das Buch zeigt, dass neben Gaunern, die den Flüchtlingen das Geld abnehmen, auch helfende Hände (im wahrsten Sinne des Wortes gibt), die den Jungen beschützen und die wenigen Nahrungsmittel sowie die Unterkünfte miteinander teilen.

 

Vieles, was im Hintergrund abgelaufen ist, erfährt Javier auch später nicht, um die Fluchthelfer nicht zu entlarven. Es scheint, dass diese Schlepper nicht so geldgierig waren, wie heute, die das Geld der Flüchtlinge nehmen und sie dann irgendwo hilflos aussetzen.

 

Das Buch ist fesselnd und berührend zugleich. Ich hätte mir im Nachwort noch etwas mehr Informationen über die damalige und aktuelle politische Situation in El Salvador gewünscht. Das österreichische Außenministerium (BMEIA) hat wegen des seit 2022 verhängten Ausnahmezustandes El Salvador die Warnstufe 4 (hohes Sicherheitsrisiko im ganzen Land) ausgesprochen.

 

Fazit:

 

Gerne gebe ich dieser sehr persönlichen Fluchtgeschichte 5 Sterne.