Rezension

Verzaubernd

Die sechs Kraniche 1: Die sechs Kraniche
von Elizabeth Lim

Bewertet mit 4.5 Sternen

Die Tochter des Kaisers, Shiori, ist eine sehr neugierige Person. Als sie ein Geheimnis über ihre Stiefmutter entdeckt und dieses an ihre sechs Brüder weitergibt, verflucht die Stiefmutter die Kinder ihres Ehemannes. Shioris sechs Brüder werden aus dem Kaiserreich verbannt und verwandeln sich in Kraniche, die nur nachts ihre menschliche Gestalt wiedererlangen. Shiori dagegen kommt fern der Heimat wieder zu sich, trägt eine große Schale über dem Gesicht, sodass sie niemand erkennt und darf nicht sprechen. Hält sie sich nicht daran, sterben ihre Brüder einer nach dem anderen. Für sie und ihre Brüder beginnt ein langer Weg, auf dem alle sieben versuchen, den Fluch zu brechen…

Ich liebe das Märchen „Die sechs Schwäne“ und habe schon mehrere Interpretationen von bekannten Autoren darüber gelesen. Daher war ich sehr neugierig, was Elizabeth Lim aus dem Märchen gemacht hat. Bei ihr sind die Brüder nicht zu Schwänen, sondern zu Kranichen geworden, sodass ihr Buch „Die sechs Kraniche“ heißt.

Zu Beginn führt die Autorin die weibliche Hauptfigur, Shiori, die Tochter des Kaisers, sehr ausführlich ein. Das führt dazu, dass dem Buch bis etwa zur Hälfte der Geschichte Tempo fehlt. Der Erzählstil von Elizabeth Lim, den ich bereits aus „Ein Kleid aus Seide und Sternen“ und „Bestickt mit den Tränen des Mondes“ kenne, ist unverkennbar. Sie nimmt sich gerne viel Zeit für die Einführung ihrer Hauptfigur. Das führt zum einen dazu, dass Shiori dem Lesenden sehr ans Herz wächst, da wir sie sehr gut kennenlernen. Zum anderen können wir so die enorme Entwicklung wahrnehmen, die Shiori im Laufe des Buches durchmacht. Sie wird von einem verwöhnten, rastlosen Mädchen zu einer empathischen, überlegt handelnden jungen Frau. Die Unerschrockenheit und der Mut bleiben ihr über die gesamte Erzählung hinweg erhalten.

Etwa ab der Hälfte des Buches hatte ich mich im Netz der Geschichte verfangen. Ich konnte kaum eine Pause beim Lesen einlegen. Shiori muss viel Unrecht ertragen und immer wieder werden Intrigen angezettelt, um sie als Dämonin zu überführen. Aber sie lernt auch echte Freundschaft und bedingungsloses Vertrauen kennen. So gerne hätte ich ihr geholfen, das Leid und die Ungerechtigkeiten von ihr ferngehalten. Da mir dies nicht möglich war, habe ich mit ihr gehofft und gelitten, dass zum Ende alles gut ausgeht.

Das Hörbuch wurde gesprochen von Yara Blümel. Sie ist eine Sprecherin, die der Geschichte viel Leben einhauchen kann. Denn sie ist eine Meisterin der korrekten Betonung von Textstellen, sodass sie sowohl die Emotionen als auch die Dramatik des Geschehens sehr gut vermitteln kann. Leider konnte ich mich bis zum Schluss nicht an ihre Stimme gewöhnen. Diese klang stets zu laut und zu schrill in meinen Ohren. Daher kann ich mir die Sprecherin eher als Synchronsprecherin beim Film und Fernsehen vorstellen als bei der Vertonung von Hörbüchern.

Fazit: Elizabeth Lim hat das Märchen mit einem Zauber ausgestattet, dem ich mich nicht entziehen konnte. Ich mag ihre Interpretation. Lediglich zu Beginn hätte ich mir mehr Tempo gewünscht.