Rezension

Wenn ein Mädchen zwischen zwei Kulturen lebt - ★★★★★

Unschuldslamm - Judith Arendt

Unschuldslamm
von Judith Arendt

Bewertet mit 5 Sternen

★★★★★

Deyra wächst in Berlin auf - eigentlich sehr westlich und offen. Aber im Urlaub in der Türkei wird ihr klar, dass ihr Vater sie verheiraten will - und ihr Bruder das nicht verhindert. Deyra versteht die Welt micht mehr, zumal sich ihr deutscher Freund Valentin auch nicht mehr meldet. Wieder daheim in Deutschland überschlagen sich die Ereignisse und Deyra wird erstochen. Ehrenmord? War es der Bruder?

Ruth Holländer ist Ende Vierzig, geschieden, alleinerziehend und hat ein französisches Bistro. In all das Chaos kommt die Berufung zur Schöffin und Ruth kann sich nicht davor drücken. Also bleibt ihr nichts anderes übrig, als mit Herz und Hirn die Wahrheit herauszufinden. Der Schock ist groß, als sie feststellt, um was es geht. Deyra war auf der Schule, auf die auch ihre Tochter geht und beide sind im selben Alter. Auch ihr Sohn ist im Alter von Deyras Bruder Aras und somit fühlt sich Ruth besonders stark in den Fall gezogen. Und so ganz nebenbei nervt auch noch der Ex und sie beginnt, sich in den Staatsanwalt zu verlieben ...

Mir gefällt der Stil von Judith Arendt sehr gut. Sie hat mich an die Hand genommen und durch die Story begleitet - und ich war erstaunt, als ich auf der letzten Seite angelangt war. Zwar hatte ich relativ früh geahnt, wer der Mörder von Derya ist, aber mir fehlten die Beweise. Die hat die Autorin durch Ruth Hollander beschaffen lassen und das völlig rund und realitätsnah, kein bißchen konstruiert oder mit Gewalt hingebogen. Und genau das macht dieses Buch zu einem Hochgenuss, denn die Realtität ist kein bißchen langweilig! Im Gegenteil, ein Krimi, der aus dem Leben gegriffen ist, unterhält viel besser.

Sämtliche Protagonisten haben Ecken und Kanten, niemand ist "einfarbig" (also NUR gut oder NUR böse); auch Ruth hat ihre Fehler, aber auch ihre Stärken - und so ist es auch bei allen anderen Figuren. Johannes ist ein typisches Muttersöhnchen, das Beziehungen lieber beendet, statt an ihnen zu arbeiten. Lukas ist ein junger Rebell, der aber auch seine Grenzen kennt und Mutter gern um Geld anbettelt. Und Ruth ist eine Frau, die am Scheitern ihrer Ehe knabbert und viel zu lange braucht, um sich wieder einer Beziehung zu öffnen - aber sie ist auch Tochter und Schwester und Mutter - alles in einem.

Ein Buch, das nicht nur den "Fall" ansich löst, sondern auch das Drumrum sehr schön erzählt. Einer der seltenen Fälle, bei denen ich es nicht nervig finde, dass es ein Serienauftakt ist. Von mir deshalb volle fünf Sterne und eine Leseempfehlung!

Kommentare

Judith Arendt kommentierte am 29. Januar 2014 um 10:39

Danke, danke, danke für die supertolle Bewertung! Im Übrigen darf ich mir eine Bemerkung zum Thema Serienauftakt aus der Sicht des Autors erlauben.

Natürlich kommt es vor, dass man einen Krimi schreibt, der dann so gut ankommt, dass der Verlag gleich damit weitermachen möchte und so das erste Buch "unfreiwillig" zum Serienauftakt wird. Häufiger ist der Fall, dass der Verlag unbedingt nach einer Serie sucht - weil der Großteil der Krimileser Serien bevorzugt. Wenn man das als Autor weiß, ist es beim Schreiben so gut wie unmöglich zu verschleiern, dass es der Auftakt zu einer Serie ist. Man legt ja alles auf eine lange Entwicklung an, und das merken die Leser natürlich...

Aber wie gesagt: manche schätzen das, andere eben nicht. Ich bin froh, dass es dich bei "Unschuldslamm" nicht gestört hat! LG, Judith

Leia Walsh kommentierte am 29. Januar 2014 um 10:59

Nichts zu danken - ist meine ehrliche und ureigenste Meinung!

Verlage sind manchmal ganz schön dumm. Die wollen Leser binden, schon klar. Aber sie vergessen, dass der Leser meist mündig ist und selbst entscheidet. Vor allem vergessen sie, dass irgendwann Teil 7 herauskommt und nicht alle neuen Leser die ersten sechs Bände kaufen wollen. Die wenigsten Serien kann man ja "durcheinander" lesen.

Ich persönlich flattere gern wie ein Schmetterling durch die Bücherwelt. Mal da, mal dort - gern auch öfter ein/e bestimmte/r Autor/in, aber eben freiwillig. Da sind Serien oftmals kontraproduktiv und ich fühle mich bevormundet und weigere mich.

Aber es gibt auch Ausnahmen. Ruth z.B. hast Du so toll angelegt, dass der Leser nicht unbedingt weiterlesen MUSS, aber KANN und DARF (also in weiteren Bänden). Kein dramatischer Cliffhanger am Ende, das ist gut!

Solange die Bücher in sich abgeschlossen sind, das Privatleben weiter Nebenschauplatz bleibt, bin ich persönlich zufrieden. Aber es gibt auch genug Leser, die das komplexer haben wollen - und das ist doch gut so.

Für Autoren selbst finde ich es aber sehr schade, wenn ein Verlag sich da so einmischt. Das beschneidet die Kreativität enorm. Stephen King wäre sicher nicht so erfolgreich geworden, wenn ein Verlag ihn zu Serien verpflichtet hätte. Die Turm-Saga war ja sein eigenes Baby, nicht vom Verlag verlangt.

So oder so - ich hab das Buch sehr gern gelesen, war immer bei der Sache, bin nie abgedriftet und so liebe ich Bücher!

DANKE!