Rezension

Die Geschichte eines neuen Namens

Die Geschichte eines neuen Namens - Elena Ferrante

Die Geschichte eines neuen Namens
von Elena Ferrante

Bewertet mit 4 Sternen

Die Geschichte um Elena und ihre Freundin Lila geht weiter, nachdem die beiden Mädchen die Kindheit hinter sich gelassen haben, inzwischen 16 sind, kommen die schweren Jugendjahre und der Weg des Erwachsenwerdens. Elena besucht weiterhin die Schule, die ihr mal mehr mal weniger Freude macht, langsam ihren Weltblick verändert und sie zunehmend vom Rione entfernt. Für das Studium geht sie sogar nach Pisa, was den endgültigen Bruch mit ihrer Heimat bedeutet. Aus der Ferne beobachtet sie die Entwicklung Lilas, die früh heiratete und dann in einer unglücklichen Ehe feststeckt. Das Leben ist ein täglicher Kampf mit ihrem Mann aber auch ihrem eigenen Jähzorn. Die Aufgaben einer Ehefrau erfüllt sie nicht, insbesondere wird sie nicht schwanger. In die Geschäfte ihres Mannes mischt sie sich immer wieder ein, wie es ihr gerade in den Sinn kommt. Die Wankelmütigkeit der Kindheit setzt sich fort und letztlich riskiert Lila alles, wovon sie eigentlich geträumt hatte.

 

Nach dem begeisternden ersten Band waren die Erwartungen hoch an den Fortlauf der Geschichte. Immer noch gefällt mir Elena Ferrantes Erzählstil unheimlich gut. Man taucht ein in das Leben des neapolitanischen Vorortes der 50er/60er Jahre und erlebt die Geschehnisse durch Elenas Augen. Die Handlung bleibt in diesem Teil überschaubar. Rund um Elena wird vieles gerafft und zusammengefasst, was ich etwas schade finde, auch ihre Erlebnisse als Studentin hätten mich interessiert, gerade die Anpassungsschwierigkeiten als Mädchen aus einfachen Verhältnissen, die plötzlich von der Intelligenzija umgeben ist, wäre durchaus lesenswert gewesen. Dies wird aber nur in wenigen Sätzen angerissen. Auch das Buch, das sie schreibt, hätte für meinen Geschmack mehr Raum einnehmen dürfen.

 

Es bleibt daher die Geschichte von Lila. Die pompöse Hochzeit und der folgende Absturz. Die Prügeleien des Gatten – die erschreckenderweise niemanden wirklich stören, denn das scheint der Alltag aller Frauen zu sein. Immer wieder rafft sie sich auf, nimmt ihr Leben in die Hand, wird erfolgreiche Geschäftsfrau, aber es bleibt ihr schwierigster Charakterzug: wenn sie sich für etwas begeistert, gibt sie all ihr Herzblut und Energie, aber sobald sie bekommen hat, wovon sie träumte, ist der Reiz weg und sie wirft ohne zu zögern alles hin. Dies ist eine gewisse Konstanz in ihren sonst eher unstetigen Leben. Großen Raum in der Erzählung nimmt ein Sommer auf Ischia ein, in dem sich Lila verliebt und sieht, was aus ihr auch hätte werden können. Sie empfindet es zunächst als Liebe, aber letztlich war auch Nino nur etwas, das jemand anderes – Elena in diesem Fall – hätte haben können und das sie ihr nicht gönnt.

 

Gut gefallen haben mir Ferrantes Wechsel in der Erzählgeschwindigkeit. Mal vergehen die Jahre wie im Flug, wenn Elena augenscheinlich vor Arbeit und Lernerei gar nicht merkt, wie die Zeit verfliegt, und dann wieder fast minutiös zu berichten, wir der Sommer am Meer vergeht, der auch in der Wahrnehmung der Figuren viel langsamer verläuft. Der Kontrast der Mädchen, ihr heimlicher Kampf darum, mehr zu erreichen und besser zu sein als die andere und eigentlich nicht zu wissen, was sie im Leben wollen, was ihnen wichtig ist und welcher Sieg am Ende wirklich etwas wert ist, dies ist der für mich interessanteste Aspekt der Lektüre. Auch die schwierigen Beziehungen der Figuren untereinander, Elena zu ihrer Familie, aber besonders auch die mafiösen Strukturen im Ort, haben ihren erzählerischen Reiz. Leider kommt es im zweiten band etwas zu Längen und bisweilen hatte ich den Eindruck, dass sich vieles im Kreis dreht und nicht recht voran geht, daher ein kleiner Abzug für die durchaus gelungene Fortsetzung der Saga.