Rezension

Die Suche nach der Wahrheit

Nach einer wahren Geschichte - Delphine de Vigan

Nach einer wahren Geschichte
von Delphine de Vigan

Bewertet mit 4 Sternen

Delphine hat einen erfolgreichen Roman über ihre Mutter geschrieben. Für die schüchterne und zurückhaltende Autorin ist die darauf folgende Aufregung eine große Belastung. Auf einer Party begegnet sie der Ghostwriterin L., die so mühelos elegant und selbstbewusst ist, dass Delphine sie nur bewundern kann. Die beiden freunden sich an und während Delphine eine ausgewachsene Schreibblockade entwickelt und sich immer weiter zurückzieht, dringt L. immer weiter in ihr Leben vor und übernimmt schließlich sogar Delphines Korrespondenz unter deren Namen. L.s. Einfluss wird immer mächtiger.

Delphine de Vigan spielt in diesem Roman geschickt mit Fiktion und Wahrheit. Ihre Protagonistin hat ihren Namen und suggeriert somit einen autobiographischen Bezug, vor allem auch durch die Handlung um den Roman über die Mutter, den es tatsächlich gibt. Letztlich ist es aber egal, wie viel dieses Romans tatsächlich wahr ist, weil es hier nicht um einen Erlebnisbericht, sondern um das Wesen der Literatur geht. Abgesehen vom persönlichen Handlungsstrang, der sich zwischen den beiden Frauen entspinnt und in dem L. immer manipulativer in Delphines Leben und Schreiben eingreift, bereichern die eher literaturwissenschaftlichen Dialoge und Diskussionen den Leser. Den vieles dreht sich darum, was ein Schriftsteller schreiben will im Konflikt dazu, was das Publikum lesen will. Ob wahr oder erfunden, gibt das Buch einen tiefen Einblick in das Seelenleben von Autoren und ich vermute, dass hier viele autobiographische Anteile verarbeitet wurden. Letztlich ist das auch wieder egal, denn es geht nicht darum, was wahr ist, sondern was der Leser als wahr glauben könnte.

"Nach einer wahren Geschichte" ist kein Spannungsroman. Natürlich eskaliert die Sache und Delphine analysiert, wie es soweit kommen konnte, doch es ist kein thrillermäßiger, übertriebener Showdown. Es ist eher eine stille Entwicklung mit einem raffinierten Ausgang, der noch einmal kräftig mit dem Dualismus Fiktion vs. Wahrheit spielt.
Leider kann ich trotzdem nicht die volle "Punktzahl" vergeben, da das Buch zwischenzeitlich immer einmal Längen hatte und bei mir das Gefühl aufkam, dass sich Delphine einige Male in ihrer Erzählung im Kreis drehte und dadurch Dinge unnötig wiederholt wurden. Es war an einigen wenigen Stellen etwas zäh. Ansonsten habe ich den Einblick in den Literaturbetrieb, eine manipulative Freundschaft und das Seelenleben einer Schriftstellerin gern gelesen und genossen.