Rezension

Ein bisschen traurig, aber wunderbar.

Das Institut der letzten Wünsche - Antonia Michaelis

Das Institut der letzten Wünsche
von Antonia Michaelis

Bewertet mit 5 Sternen

Meine Meinung:
„Das Institut der letzten Wünsche“ ist wiedermal ein wunderbares Werk von Antonia Michaelis. Ein bisschen traurig, aber wunderbar. (Findet Mathilda auch - siehe Zitat unten) ;-)
Mathilda, die Protagonistin, war mir von Anfang an sympathisch. Wer mit einem Pferd in die S-Bahn steigt, um einer alten Dame den letzten Wunsch erfüllen zu können, wer sich ausgiebig mit seinem Hund unterhält, wer dutzende Male im Jahr Weihnachten, Ostern und Sylvester feiert, oder es im Sommer schneien lässt, sich veraltete Kindermotive auf Kleidung näht, kann mein Leserherz nicht unberührt lassen. 
Mathilda ist aber auch wirklich liebenswert. Sie wirkt manchmal ein wenig verhuscht, überspielt hin und wieder Unsicherheiten mit Sicherheit, lacht, obwohl sie eigentlich weinen sollte. 
Erfüllt sie sich mit dem Erfüllen der Wünsche anderer eventuell auch ein Stück weit ihre eigenen?

—-Sie rannte die Stufen hinunter, beinahe panisch, und fand auf dem Gleis einen Hund, der so tat, als gehörte er jemand anderem.—-S.99

In gewohnt bezauberndem Schreibstil erzählt Antonia Michaelis aus der Sicht von Mathilda. Poetisch, amüsant, melancholisch, berührend.
Die Art, wie die Figuren mit teils surrealen Einschüben und Gedankengängen ausgestattet sind, finde ich immer wieder faszinierend. Wenn Mathilda zum Beispiel mit ihrem Hund Eddie spricht und er in ihrer Wahrnehmung antwortet, oder wenn Möbelstücken eine Entscheidungsfreiheit zugeschrieben wird.

—-Das Café Tassilo rettete sie davor, in der Unendlichkeit zu ertrinken. Große rote Sonnenschirme beschirmten niedrige Bücherregale, die sich um die Tische herum gruppierten. Es sah aus, als hätten die Regale eben nach einem erfrischendem Schuss Koffein das Tassilo verlassen und wären nun unschlüssig, in welche Richtung sie mit ihrer Last gehen sollten.—-S.69

Außer Mathilda tauchen natürlich noch andere Figuren auf. Allesamt sind hervorragend ausgearbeitet und haben mir sehr gut gefallen. Sie haben dazu beigetragen, der Geschichte um Mathilda und Birger den passenden Rahmen zu geben. Ich mochte zum Beispiel den Jungen mit den blauen Haaren total gerne. Aber auch Ingeborg, die das Institut leitet, nachdem sie ihren Job als Ärztin an den Nagel gehängt hat, einige besondere Klienten auf der Suche nach Wunscherfüllung, die sich mehr oder weniger hilfreich im Institut einbringen und  Birger Raavenstein, den zerzausten Todeskandidaten, der auf der Suche nach seiner Jugendliebe etwas ganz anderes findet.

Für Mathilda ist es mit dem Wünsche erfüllen nicht immer so einfach wie es scheint, auch wenn sie sich über viele Probleme und Unwegsamkeiten geschickt hinwegzusetzen vermag, gerät sie bisweilen an ihre Grenzen.

—-Ich brauche auch Hilfe, dachte Mathilda. Ich bin fünfundzwanzig, und der Tod ist so viel älter und so viel erfahrener in dem, was er tut. Es ist wirklich schwer, täglich mit ihm zusammenzuarbeiten.—- S. 241

—-„Warum kann man nicht länger als eine Sekunde am Stück  glücklich sein?“ knurrte sie und hieb mit der Hand auf die Mauer. „Warum? Es war so wunderbar … Ein bisschen traurig, aber wunderbar.“ —-S.443

 

Fazit:
„Das Institut der letzten Wünsche“ ist trotz des traurigen Themas eine wunderbare, lebensbejahende Geschichte, die Mut macht, und vielleicht sogar ein wenig die Angst vor dem Tod nehmen kann. 

Wenn die Zeit knapp wird, sollte man sie nicht mit Nichtigkeiten vergeuden.

—-„Ich meine, ich wäre gerne ausführlich und sehr lange sauer, aber wir haben keine Zeit. Wir haben zu nichts Zeit.“ —-S.447