Rezension

Guter aufklärender Krimi mit politischem Algerienhintergrund

Wetterleuchten im Roussillon - Philippe Georget

Wetterleuchten im Roussillon
von Philippe Georget

Bewertet mit 4 Sternen

Südfrankreich: In diesem Kriminalroman ermittelt Inspecteur Sebag an einem Fall, dessen Ursprung im über 60 Jahren zurückliegenden Algerienkrieg zu suchen ist. Auch die Untergrundorganisation OAS (Organisation de l’armée secrète) spielt eine entscheidende Rolle im Mordfall an einem Algerienfranzosen im Rentenalter. Was hat sich damals abgespielt, welche Feindbilder oder Racheakte können hier ein Motiv sein? Sebag und seine Leute haben viele Spuren zu verfolgen. Wer hat 50 Jahre nach Algeriens Unabhängigkeit heute noch Rachegefühle, die zu einem Mord führen können? Das Cover zeigt sehr passend mit der drohenden Gewitterstimmung vor einer Hafeneinfahrt ein bedrohliches Naturschauspiel an und deutet so schon auf grausame Taten hin.

Dieser Roman ist in einem angenehmen Erzählstil verfasst, die Handlung ist eher ruhig und sachlich wirkend beschrieben. Was aber besonders auffällt, sind die detailliert geschilderten Gedankengängen und die jeweiligen Empfindungen der Figuren, die den Leser an den Stimmungen sehr direkt teilhaben lassen. Dieses Talent Georgets gibt seinen Protagonisten einen sehr fühlbaren Charakter und dem Leser den Blick in ihr Innerstes, in ihr persönliches Seelenleben.

Mit einem Mordfall beginnt der Krimi recht spektakulär, die nachfolgenden Ermittlungen ziehen sich dann allerdings recht schleppend voran. Zu undurchsichtig ist das Netz von Algerien-Franzosen und deren Gegnern nach nunmehr 50 Jahren. Es gibt durch Rückblenden Einblicke in das Treiben eines OAS-Kämpfers in Algerien um 1960. Die damaligen Taten erschüttern und machen tief betroffen. Auch eine aktuelle Täterperspektive wird gezeigt, hier wird aus Tätersicht das Opferfeld betrachtet und Morde geplant und ausgeführt. Gleichzeitig gibt es als Nebenermittlung einen Fall eines jugendlichen Unfalltoten, dessen Schuldfrage nicht eindeutig geklärt ist. Diese Perspektiven verlangen nach Aufklärung und das macht die eigentliche Spannung dieses Krimis aus.

Gerade der geschichtliche Exkurs in die für deutsche Leser wahrscheinlich nicht so bekannte Algerien-Frage macht diesen Krimi so interessant. Zwar sind die Personen fiktiv, ihre Handlungen sind aber beispielgebend für Racheakte und Terror der damals kämpfenden Untergrundgruppen. 
OAS und die gegnerische algerische FLN (Front der nationalen Befreiung) lieferten sich erbitterte Kämpfe.

Gilles Sebag kämpft allerdings nicht nur mit den Ermittlungen zu den bestehenden Mordfällen, seine Eheprobleme um einen fraglichen Nebenbuhler belasten ihn und seine Selbstzweifel beanspruchen ihn noch zusätzlich. Das macht ihn menschlich, stellt ihn aber auch nicht gerade als Helden dar. Seinen Fall löst er schließlich mit Bravour, ob sich sein Privatleben auch wieder entspannt, kann man nur hoffen. Die französische Leidenschaft für Essen und Trinken wurde übrigens sehr deutlich gemacht.

Dieser Krimi bietet zwar keine rasant spannende Handlung, punktet aber mit geschichtlicher Aufklärung und zeigt, wie koloniale Herrschaft Unrecht verbreitete, Hass und Blutvergießen die Folge waren und heute schon wieder Geschichte sind.