Rezension

Literarische Zeitschleife

Lieber Mr. Salinger - Joanna Rakoff

Lieber Mr. Salinger
von Joanna Rakoff

Bewertet mit 4 Sternen

"Es war weiß Gott nicht nur ein Tag, der wild wuchernde Zeichen und Symbole, sondern auch der maßlos ausgiebigen Kommunikation mittels des geschriebenen Worts."

J.D. Salinger

Hebt an den Dachbalken, Zimmerleute

 

Zuallererst war es das außergewöhnliche Cover, welches mich neugierig machte, da es so erfrischend wirkt. Inhaltlich ist es dann doch anders als erwartet. Wir befinden uns in einer literarischen Zeitschleife, die mich wirklich ansprechen konnte. Joanna Rakoff hat einen aussagekräftigen Schreibstil, der mich mit in ihren Büroalltag nehmen konnte. Bücher über Bücher oder auch den Alltag in einer Agentur fand ich faszinierend, da man zwar als Leser doch eine genaue Vorstellung davon hat, dennoch kaum Einblicke bekommt und es seiner Fantasie überlassen muss, wie ein Buch zustande kommt. Wir sehen oft nur das Buch vor uns und nicht die Arbeit und Vorbereitung, bis es so vor uns liegt, wie wir es gewohnt sind. Hier ist es J.D. Salinger, der uns durch das Buch führt und auch Joanna mitunter sprachlos macht. Die Agentur für die sie arbeitet, hat ihn im Fokus und er verhält sich tatsächlich kauzig, wie im Klappentext beschrieben. Für mich ein Autor, dessen Namen ich zwar schon gehört habe, aber bisher keines seiner Bücher las. "Lieber Mr. Salinger" ist also keine Fiktion, sondern erzählt Joannas Geschichte und ihr Erleben.

Es dauerte eine ganze Weile, bis ich mit der Story richtig warm wurde, aber nachdem ich erst einmal mitten im Buch war, wurde das Lesen flüssiger und ich konnte mich begeistern lassen. Die alte Schreibmaschine auf dem Cover bekommt einen hohen Stellenwert, denn auf ihr werden Briefe getippt und anderes, was einen Büroalltag ausmacht. Besonders hervortreten kann die Tatsache, das es für fast alles einen Standardbrief gibt, den Joanna nur noch personifizieren müsste. Joanna lässt sich aber darauf ein, Fanpost zu lesen und auch zu beantworten. Sie übernimmt immer mehr an Aufgaben und lässt sich komplett auf das Agenturleben ein. Was mich verwirrte ist die Tatsache, das wir uns zwar im Jahre 1996 befinden, die Agentur aber komplett veraltet erscheint. Neuerungen kommen zwar nach und nach dazu, aber es wirkt dennoch sehr altertümlich. Ich bewege mich also als Leser einer einer literarischen Zeitschleife, die sich erst nach und nach entwickeln muss. Letztendlich konnte mich "Lieber Mr. Salinger"begeistern. Es ist kein Buch, welches sich schnell lesen lässt, sondern eins, was mich herausfordert mitzudenken. Es ist zum Teil Sachbuch, zum Teil Roman. Absolut gelungen. Es besticht durch seine Authentizität persönlicher Erfahrungen, die mich im Nachhinein wirklich begeistert zurücklassen.