Rezension

Schwere Kost unerfreulich distanziert und ohne Überraschungseffekt behandelt!

Die Farbe von Milch
von Nell Leyshon

Bewertet mit 2.5 Sternen

„Die Farbe von Milch“ wurde zu seinem Erscheinen unglaublich „gehyped“, weshalb auch ich dazu verführt wurde, es mir ins Regal zu holen. Jetzt habe ich es nach vier Jahren aus diesem befreit – und verstehe den Hype nicht, denn auf mich konnte das Buch keinen Wow- oder gar Schock-Effekt ausüben. Ich wurde nicht überrascht und habe vergeblich auf einen Twist gewartet, da in manchen Rezensionen von einem oder gar mehreren die Rede war.

 

Meiner Meinung nach nimmt der Klappentext einiges vorweg, ohne es explizit auszusprechen. Wie könnte er auch nicht? Nur so kann er den potenziellen Leser neugierig machen, denn mit sehr viel mehr kann die Geschichte schließlich nicht aufwarten. Dadurch habe ich genau das gelesen, was ich schon von Anfang an erwartet habe, um dann auch sehr früh eine weitere Ahnung zu entwickeln, wie das Ganze enden könnte, die dann auch genau so gekommen ist. Kein Wow. Kein Aha. Nichts dergleichen.

 

Aufgrund dessen habe ich die Handlung die meiste Zeit als vor sich hinplätschernd erlebt, auch wenn es ab einem gewissen Punkt unvermeidlich war, dass ich mich beim Lesen etwas angespannt habe. Ich habe mit Mary mitgefühlt, aber eigentlich nicht, weil der Schreibstil besonders berührend gewesen wäre, sondern weil das die Handlung selbst erzwungen hat.

 

Der Schreibstil ist nämlich – trotz Ich-Perspektive – sehr distanziert. Und daran habe ich mich weit mehr gestört als an seiner viel kritisierten Ungewöhnlichkeit. Ja, der Schreibstil ist gewöhnungsbedürftig, weil er fast vollständig auf Zeichensetzung verzichtet und durch einen sehr einfachen, eintönigen Satzbau geprägt ist. Da liest man Sätze wie „Und dann ging ich in die Küche und dann machte ich Tee und dann brachte ich den Tee ins Arbeitszimmer und dann …“, um Authentizität herzustellen, denn Mary hat gerade erst Lesen und Schreiben gelernt und kann sich folglich nicht sehr wortgewandt ausdrücken. Das wirkt zu Beginn abschreckend (wobei ich mich mehr noch an der fehlenden Kommasetzung gestört habe), aber irgendwie gewöhnt man sich dran. An die Distanziertheit der Protagonistin aber nicht.

 

Mary ist sehr nüchtern. Nicht bloß in Gedanken, auch in ihren Äußerungen, die sie als Charakter aber auch interessant machen. Sie ist nicht auf den Mund gefallen, sondern äußert stets das, was sie gerade denkt. Das macht sie und die Dialoge unterhaltsam. Aber eben diese trockene Abgebrühtheit ist es auch, die eine Barriere zwischen ihr und mir als Leserin aufgebaut und es verhindert hat, dass ich voll in ihre Gefühlswelt eintauchen konnte. Die Handlung ist keine leichte Kost, aber sie wird nie erdrückend, nie niederschmetternd, weil der Schreibstil Marys Gefühle bloß touchiert. Und damit fehlte mir etwas sehr Entscheidendes, denn letztendlich suche ich leider immer noch das wirklich Lesenswerte an der Geschichte.

 

Fazit

Für mich leider ohne Wow-Effekt, plätschert lange vor sich hin, um dann schwerere Kost zu behandeln, die jedoch distanziert erlebt und erzählt wird. Das Mitfühlen gründet einzig auf der Charakteristik der Handlung und nicht auf der Gefühlswelt der Protagonistin. Damit ist das Buch leider unteres Mittelmaß für mich – 2,5 Sterne.