Rezension

Schwerste Verbrechen...

Die Herrin der Kathedrale - Claudia Beinert, Nadja Beinert

Die Herrin der Kathedrale
von Claudia Beinert Nadja Beinert

Bewertet mit 3.5 Sternen

„Schwerste Verbrechen durch Beschädigungen des Lebens eines Delinquenten zu sühnen ist königlich-kaiserliches Vorrecht.“

Uta will Gerechtigkeit. Seit der Ermordung ihrer Mutter wünscht sie sich, den Verantwortlichen endlich vor ein Gericht bringen zu können. Aber das ist nicht einfach, hat sie doch keinen männlichen Verwandten, der sie unterstützt. Und „ein Weib alleine ist nicht rechtfähig“. Ohnehin lebt sie in einer Zeit, in der Frauen wie sie – nämlich solche, die nach Bildung streben – als „nicht gottgefällig“ bezeichnet werden. „Mann“ ist gemeinhin der Ansicht, dass Frauen überhaupt nicht lernfähig sind und dass Frauen, die sich entgegen der göttlichen Ordnung benehmen unfruchtbar werden. Auch Utas Ehemann gibt ihr die Schuld an der Tatsache, dass sie einfach nicht schwanger wird und droht damit, sie zu verstoßen. Aber das sind noch nicht die einzigen Probleme, mit denen Uta sich rumschlagen muss. Ganz nebenbei unterstützt sie noch tatkräftig den Kathedralen-Bau zu Naumburg, bei dem es immer wieder neue Probleme zu bewältigen gibt. Und dann ist da auch noch die heimliche Liebe zu ihrem Schwager Herrmann…

Ich muss gestehen, Themen wie „Frau setzt sich gegen alle möglichen Widerstände durch“ und „die Rolle der Frau in vergangenen Zeiten“ reizen mich immer. Auch hier war ich wieder angemessen empört ob der Tatsache, dass einer Frau die völlige Selbstbestimmung, Entscheidungsbefugnis und die „Rechtfähigkeit“ abgesprochen wird. Gerne habe ich also Uta auf ihrer Suche nach Gerechtigkeit begleitet. Und auch ein Thema wie der Bau einer Kathedrale ist gewöhnlich für mich von Interesse.

Faszinierend fand ich zudem alles, was mit der damaligen Rechtsprechung zu tun hatte. Darauf wird ziemlich ausführlich eingegangen. Aus heutiger Sicht kann man über die vielen Gottesurteile natürlich nur den Kopf schütteln.

Mit der Umsetzung war ich aber nicht immer ganz glücklich. Zunächst mal musste ich mich ein wenig an den Schreibstil gewöhnen. Der kam mir anfangs reichlich kitschig vor. Gleichzeitig aber auch sehr bekannt. Und dann dämmerte mir, woran mich die Sprache erinnerte. Bei uns findet auf einer alten Burg jedes Jahr ein „Mittelalterliches Spectaculum“ statt und da wird so gesprochen, wie das ganze Buch klingt. Von da ab hatte ich mich mit der Sprache ausgesöhnt, empfand ich sie dann doch als passend für den zeitlichen Hintergrund.

Ein paar Sachen waren für mich aber nicht logisch, passten einfach nicht. Dieses angebliche Stottern von Uta beispielsweise, dass nur an einzelnen Stellen im Buch auftrat und sich dann meist nur auf ein Wort beschränkte, kam mir sehr unglaubwürdig vor. Und da dem Stottern im Handlungsablauf eine zukunftsentscheidende Bedeutung zugewiesen wurde, hätte man das entweder deutlicher und konsequenter darstellen oder sich etwas anderes einfallen lassen müssen. Und dass sie – die eine freundschaftliche Beziehung zur Kaiserin hat – trotzdem 20 Jahre braucht, bis sie Anklage erheben kann, wollte mir einfach nicht in den Kopf. Zu diesen Punkten gesellten sich noch ein paar Längen, die aber an anderer Stelle durch völlig überraschende Dinge ausgeglichen wurden.

Im Nachwort wird einiges über das tatsächliche „geschichtlich belegte“ Leben der handelnden Personen berichtet. Über Uta von Naumburg (die jedem bekannt ist, der schon mal ein Kreuzworträtsel gelöst hat) gibt es nicht sehr viele gesicherte Fakten. So erfährt man, welche Punkte des Buches auf Tatsachen beruhen und was die Autorinnen sich dazu ausgedacht haben.

Wer es also schafft, sich mit der Sprache anzufreunden und über ein paar – wie ich finde – unlogische Punkte hinwegzusehen und sich zudem nicht vor einem dicken Wälzer fürchtet, erlebt eine interessante Geschichte aus einer spannenden Zeit – dem frühen 11. Jahrhundert.