Rezension

Sinnlose Gewalt!

Die Bestimmung 01 - Veronica Roth

Die Bestimmung 01
von Veronica Roth

Bewertet mit 2 Sternen

Zum Inhalt möchte ich jetzt gar nicht viel sagen, ich denke, er dürfte bekannt sein: Chicago in der Zukunft, es existieren 5 Fraktionen, Beatrice, die Protagonistin, muss an ihrem 16. Geburtstag eine Wahl treffen und entscheidet sich für die Fraktion der Ferox ...
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Um das Positive gleich vorwegzunehmen: Frau Roth schreibt sehr flüssig, emotional und spannend. Das Buch wird aus der Ich-Perspektive erzählt, dazu noch im Präsens. Das mag für manchen Leser gewöhnungsbedürftig sein, ich fand es sehr passend für Tris' Geschichte. Ich war immer mittendrin, habe gesehen, was Tris sieht, gefühlt, was sie fühlt und erlebt, was sie erlebt. Die Sprache ist jetzt nicht gerade anspruchsvoll, teilweise sogar recht nüchtern und geradeaus, die Sätze eher kurz. Dadurch kommt einem die raue Welt der Ferox und Tris' Charakter aber umso näher.
Die Seiten sind also schnell gelesen, die Geschichte schreitet durch die Erzählweise zügig voran, ich hatte ein durchaus positives Leseerlebnis.
Doch leider überwiegen für mich die nachteile des Buches deutlich!
1.) Der Weltentwurf: Dieser erscheint mir zu willkürlich und zu wenig ausgearbeitet. Hier nur mal einige Fragen, die sich mir immer wieder während des Lesens gestallt haben:
Warum gibt es die 5 Fraktionen? Warum ausgerechnet diese und keine anderen? Es gibt schließlich viel, viel mehr als nur diese 5 menschlichen Eigenschaften! Hat das Zusammenleben dieser 5 Fraktionen jemals wirklich funktioniert? Warum müssen sich ausgerechnet alle 16-Jährigen für eine Fraktion entscheiden und müssen komplett mit ihrer Familie brechen? Psychologisch gesehen gibt das gar keinen Sinn! Warum gibt es so wenig Transparenz zwischen den Fraktionen, so wenig Austausch?
Nein, da fehlte mir eindeutig ein größeres Konzept, um mir diese Welt stimmig und glaubhaft zu vermitteln. Ich hatte eher das Gefühl, die Autorin wollte ihre Protagonistin in möglichst viele Extremsituationen schicken.
2.) Die Gewalt: Ich habe im Prinzip nichts gegen Gewalt in Geschichten, auch nicht, wenn es brutal, rücksichtslos und blutig zugeht. Doch was mich sowohl bei den Ferox als auch bei Tris gestört hat, war die Billigung gewalttätigen Verhaltens. Mut und Tapferkeit werden hier vermittelt als Gewalttätigkeit gegen andere (durchaus die eigenen Fraktionsmitglieder und Freunde!), Gefühllosigkeit, Härte gegen sich selbst und andere sowie sinnlose Leichtsinnigkeit. Ist jemand mutig, wenn er aus einem fahrenden Zug auf ein Dach springt? Ach ja, und wenn man das leider nicht schafft und 7 Stockwerke in die Tiefe fällt, tja, dann hatte man bei den Ferox eh nichts zu suchen. Bei solchen Szenen - und derer gibt es mehrere - konnte ich nur noch verständnislos den Kopf schütteln. Ich hatte auch während des gesamten Buches nicht das Gefühl, dass gegen dieses Verständnis von "Mut" rebelliert wird. Im Gegenteil. Tris, immerhin weiblicher Hauptcharakter, macht aus Leibeskräften mit, will sie doch um keinen Preis Letzte und somit fraktionslos werden. Dass dabei selbst Freunde von ihr (Al z.B.) vor die Hunde gehen, lässt sie jedoch nicht an der Fraktion zweifeln.
3.) Die Bekämpfung der Angst. Gut, ich interessiere mich ein wenig für Verhaltenspsychologie, daher ist dies ein spezieller Kritikpunkt. Aber können intelligente Menschen ernsthaft glauben, dass man durch die ständige Konfrontation mit den eigenen Ängsten (die übrigens oftmals nicht so klar und eindeutig benannt werden können, wie in dem Buch dargestellt) diese irgendwann überwindet und dadurch dann furchtlos wird??? Angst ist zunächst einmal ein Urinstinkt: Diesen kann man zwar kontrollieren, aber nicht abschaffen - sollte man auch nicht, denn Angst ist ein Warnsystem! Vor allem bräuchten die Ferox als Verteidigungsfraktion (gegen was auch immer) dieses Alarmsystem, damit ihre Soldaten keine Himmelfahrtskommandos veranstalten. Ich glaube außerdem nicht, dass man durch Härte gegen sich selbst, emotionale Kälte und Gewalt gegen die eigenen Teammitglieder Ängste überwindet. Man verdrängt sie vielleicht, ja. Ich hatte aber eher das Gefühl, dass durch diese ganze Ausbildung bei den Ferox eher psychopathische, tickende Zeitbomben entstehen als tapfere, in sich selbst ruhende Menschen ...
4.) Eine storytechnische Sache: Die Länge von Tris' Ausbildungszeit. Dieser Teil hat sich für mich total gezogen - was auch mit der oben angesprochenen, für mich unsinnigen Gewalt zu tun hat. Im Mittelpunkt dieses Teils sollen wohl Tris' Charakterentwicklung sowie das System der Ferox stehen. Gut, mag seine berechtigung haben, für mich ging dadurch aber viel Dynamik flöten. Ich hätte viel lieber etwas mehr über die anderen Fraktionen und die Hintergründe des Weltentwurfs erfahren. Mit Tris las Protagonistin bin ich auch nicht recht warm geworden. Dazu war sie mir zu wenig rebellisch, gewalt- und zornesbereit und zu wenig identifikationseinladend.
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Fazit: Für mich nur ein mittelmäßiges Buch. Ich bin mir nach wie vor nicht im Klaren, worauf die Autorin hinauswollte. Wenn ich ehrlich bin, hat mich die Geschichte teilweise abgestoßen, aufgrund der allgegenwärtigen akzeptierten Gewalt und der einander zugefügten Brutalität, sowohl im körperlichen als auch im emotionalen Bereich. Für eine wirklich gute, erschreckende Dystopie ist mir der Weltentwurf zu wenig ausgearbeitet, es fehlen einfach Hintergründe, die das System logisch erscheinen lassen. Die Protagonistin Tris wirkt auf mich nicht unbedingt stark, sondern eher wütend und gewaltbereit. Ich würde das Buch trotzdem empfehlen, allerdings nur, um sich selbst ein Bild zu machen und die Darstellungen zu hinterfragen.
2 von 5 Sternen

Kommentare

callunaful kommentierte am 24. November 2013 um 00:25

Im Grunde stimme ich deiner Rezension voll und ganz zu!