Rezension

Von beeindruckend Intensität und Tiefe

Niemals
von Andreas Pflüger

Bewertet mit 5 Sternen

Auf diese Fortsetzung von „Endgültig“ war ich mega-gespannt. Würde sie dem ersten Band gleichkommen, oder ihn gar toppen?

Auch „Niemals“ hat mich sofort in seinen Bann gezogen. Andreas Pflüger ist ein großartiger Erzähler. Ich mag den knappen präzisen Stil, mit dem er sich so wohltuend von der breiten Masse abhebt . Wie er mit wenigen Worten Atmosphäre schafft und Figuren greifbar werden lässt, hat mich schon in „Endgültig“ begeistert! Und doch hatte ich längere Zeit das Gefühl, „Niemals“ würde für mich nicht ganz an den Vorgänger herankommen.

Spannend war es von Beginn an, aber ich musste mich höllisch konzentrieren und trotz aufmerksamen Lesens schien es mir an manchen Stellen, als würde ich nicht immer alles mitkriegen. Viel steht zwischen den Zeilen, schwingt mit in knappsten Dialogen, hat mich zum Nachdenken gebracht und  sich erst bei nochmaligem Lesen erschlossen. Fließende, schwer erkennbare Übergänge zwischen Vergangenheit und Gegenwart, dazu Jennys düster mystische Traumsequenzen, die oft nicht gleich als solche erkennen sind – der Autor hat seine Leser durchaus gefordert ;). Immerzu wirbelten mir Fragen durch den Kopf und beim Lesen stand ich die ganze Zeit unter Strom, vermutlich, weil aus Aarons Perspektive erzählt wird, die auch so gut wie niemals entspannt gewesen ist.

Atemberaubende Kampfszenen sorgen auch diesmal für spannendste Unterhaltung, aber stärker haften geblieben ist bei mir der Eindruck von Atmosphäre, Tiefe und Intensität. Jenny und ihre Blindheit stehen im Fokus, ihre besonderen sensorischen Fähigkeiten, ihre Hoffnungen, Wünsche, Ziele und nicht zuletzt die Beziehung zu ihrem Vater. Mehr als einmal habe ich mich gefragt, was ich davon halten soll, ein kleines Mädchen auf einen solchen Weg zu bringen,  der sie in letzter Konsequenz zu einer „Waffe auf zwei Beinen“ werden hat werden lassen, einer jungen Frau, die nach den Gesetzen einer alten ausgestorbenen japanischen Kriegerkaste lebt. Das Verlangen nach Rache scheint in „Niemals“ ihr ganzes Sinnen und Trachten zu bestimmen, ja fast zum Selbstzweck zu werden. Fragwürdig, ob das zu einem guten Ende führen kann, zumal es nicht nur um ihre eigene Person geht und noch dazu kausal mit ihrer Blindheit zusammenhängen könnte. „Niemals, niemals…“ – und doch geht sie ihren Weg.

Ich fand es genial, wie die offenen Fragen beantwortet und die Fragmente stimmig zusammengeführt werden. Noch selten habe ich einen so klug erzählten Thriller gelesen, brillant konstruiert, geheimnisvoll, tiefgründig, dazu noch voller interessanter Informationen. Die sprachgewaltige Intensität war mir an manchen Stellen fast ein bisschen zu viel, trotzdem hat sie bei mir einen Nerv getroffen und mich erneut restlos begeistert zurückgelassen.