Rezension

Außergewöhnlich

Die Tanzenden - Victoria Mas

Die Tanzenden
von Victoria Mas

Bewertet mit 5 Sternen

Ein außergewöhnliches und sehr spannendes Setting: Die Pariser Salpetriere, eine Klinik für geisteskranke Frauen im ausgehenden 19. Jahrhundert. Dadurch spielen gleich zwei große Themen eine Rolle in der Geschichte, nämlich zum einen das Frauenbild zu dieser Zeit und zum anderen die damalige Sicht auf Geisteskrankheiten und damit natürlich auch der Umgang mit „Geisteskranken“. Beides ist für mich erschreckend realistisch rübergekommen. Die Geschichte selbst begleitet das Schicksal mehrerer Frauen, vor allem aber das einer Tochter aus gutbürgerlichem Hause, die von der Familie dorthin abgeschoben wird, weil ihre Weltsicht nicht toleriert werden kann, sowie das der „Altgedienten“, der obersten Schwester des Pflegepersonals.

Die Autorin bedient sich einer ungewöhnlichen Sprache, die für mich auf den ersten Seiten gewöhnungsbedürftig war. Die Perspektive ist auktorial gehalten, gleichzeitig wird die Geschichte im Präsenz erzählt – eine ungewöhnliche Kombination, die mir so bewusst noch nicht begegnet ist. Dadurch hatte ich immer Abstand zu den Figuren, gleichzeitig aber das Gefühl mitten im Geschehen zu ein, es unmittelbar zu betrachten. Zur Handlung selbst will ich gar nicht viel verraten, sie war für mich aber absolut glaubwürdig, ebenso wie die Charaktere, die durch die Widrigkeiten ihrer Umstände und durch die Begrenzungen, die sie erfahren, eine Wandlung durchmachen, die immer nachvollziehbar bleibt. Ein leises Buch, das auf mich dennoch Sogwirkung entwickelt hat. Einzig gestört haben mich teilweise die Wiederholungen bereits bekannter Fakten, hätte ich aber mit größeren zeitlichen Abständen gelesen, wäre ich vielleicht dankbar dafür gewesen. Insgesamt ein tolles Buch, das ich nur weiterempfehlen kann.