Rezension

Beeindrukcneder Roman

Die Kinder von Beauvallon -

Die Kinder von Beauvallon
von Bettina Storks

Bewertet mit 5 Sternen

„...Ohne zu zögern, nahm Lily das Kinderfoto aus ihrer Manteltasche und riss es in der Mitte, wo die beiden Freundinnen Hand in Hand posierten, in zwei Teile...“

 

Agnes nähert sich dem Lastwagen, mit dem ihre beste Freundin Lily und deren Familie Sulzburg zusammen mit anderen Juden verlassen müssen. Sie nimmt die Hälfte von Lilys Foto in Empfang. Werden sie es je wieder zusammenfügen können?

Die Autorin hat einen bewegenden historischen Roman geschrieben. Der Schriftstil ist ausgereift und bringt die Zeitverhältnisse gut zum Tragen.

Wir schreiben das Jahr 1965. Agnes arbeitet bei einem Radiosender. Ihr Chef gibt ihr einen besonderen Auftrag. In dem kleinen französischen Ort Dieulefit wurden im Zweiten Weltkrieg jüdische Kinder versteckt. Sie konnten dort sogar eine Schule besuchen. Agnes soll dazu recherchieren. Plötzlich kommt die Frage wieder auf: Könnte Lily doch noch leben?

 

„...Wie aus dem Nichts war sie mit ihrer Kindheit und einer alten Wunde konfrontiert worden. Wie lange lag das zurück, als ihr der alte Herr Schneider vom Tod der Familie Blum erzählt hatte? Sollte er sich getäuscht haben?...“

 

Die Geschichte wird in zwei Handlungssträngen erzählt. Der eine berichtet von Lilys Leben in Dieulefit, der andere von den Anforderungen, den sich Agnes bei ihrer Recherche stellen muss. Bei letzterem werden vor allem die Verhältnisse in der BRD beleuchtet. Man lebt in einer Zeit des Aufschwungs. Die Vergangenheit will man Vergangenheit seine lassen, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Deshalb bekommt Agnes vorläufig auch keine Möglichkeit, ihren Beitrag im Radio zu veröffentlichen. Auch in ihrem Elternhaus kommt es zu heftigen Diskussionen.

 

„...Es hat noch gar nicht angefangen, Mama. Es geht erst richtig los mit der Aufarbeitung. Ob euch das passt oder nicht. Und vielleicht müsst ihr eines Tages auch Fragen beantworten und euch dem stellen, was vor euren Augen geschehen ist...“

 

Der Strang der Kriegsjahre zeigt das fast normale Leben der Kinder. Deutlich wird, dass der Ort davon nach dem Krieg kein Aufheben gemacht hat. Man hat geschwiegen und zusammengehalten. Man will kein Heldenepos.

Eine dritte Sicht ist die Sicht der Opfer. Auch sie schweigen und verdrängen. Dabei haben sich viele ein neues Leben aufgebaut und wolle nicht mehr an Vergangenes erinnert werden. Andere aber suchen nach Schuldigen.

 

„...Rache war kein guter Ratgeber, nur Vergebung vermochte den eigenen Schmerz über erlebtes Leid lindern...“

 

Hierbei gilt es aber zu trennen zwischen Rache und Recht. Verzicht auf Rache heißt nicht, Verzicht auf Rechtsmittel, die die Täter überführen.

Gut gefällt mir, wie bei den Protagonisten ein innerer Prozess in Gang kommt, der frei macht für ein selbstbestimmtes Leben und neue Chancen eröffnet.

Im Anhang gibt es Informationen zu historischen Organisationen und Personen.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es bezieht sich auf ein reales Geschehen und zeigt, wie die verschiedenen Gruppen mit dem Erleben umgingen.