Rezension

Drei Frauenleben

Der Zopf - Laetitia Colombani

Der Zopf
von Laetitia Colombani

„Sie wäre gern als Kuh auf die Welt gekommen, dann würde man sie respektieren.“ Seite 188

Smita aus Indien gehört der Kaste der Unberührbaren an. Ihre Aufgabe ist es, die Exkremente der Höhergestellten zu entsorgen. Das will sie ihrer Tochter ersparen und sucht nach einem gangbaren Weg aus der gesellschaftlichen Enge.
Gulia aus Sizilien träumt davon, die Perückenfabrik ihres Vaters zu übernehmen. Diese gehört schon seit Generationen der Familie. Doch dann verunglückt ihr Vater.
Sarah aus Kanada ist alleinerziehende Mutter von zwei Kindern und eine Power-Anwältin auf der Karriereleiter. Doch was so gut aussieht, hat seinen Preis.

Die Autorin zeigt anhand dreier völlig unterschiedlicher Frauenschicksale was Stärke bedeutet: Weggehen – Durchhalten – so tun, als wenn nichts wäre? Was anfangs noch unabhängig voneinander erscheint (von jeder Frau wird abwechselnd in kurzen Abschnitten erzählt), wird zum Schluss hin deutlich. Ganz behutsam, Strähne für Strähne, flicht Laetitia Colombani einen Zopf. Dabei untermalt sie das Geschehen alle paar Kapitel mit Gedanken, die ebenso gut zu ihren Protagonisten passen, wie zu ihrem Schreibprozess. Es gelingt ihr mühelos, im Laufe der Geschichten eine Spannung aufzubauen, die es schwer macht, das Buch zur Seite zu legen.

Mich hat beeindruckt, wie sich jede der drei Frauen ihrer ganz persönlichen Katastrophe stellt und diese mit ganzer Kraft zu bewältigen gewillt ist. Besonders hat mir gefallen, so viel über Indien, die dort herrschenden Lebensumstände und Traditionen zu erfahren. Auch von der Perückenherstellung wusste ich bisher nichts. Fast abstoßend empfand ich den Karriereaufbau der kanadischen Powerfrau, die sich keine Zeit für ihre kleinen Kinder gönnte.

An diesem Buch hätte ich gerne länger gelesen. Für meinen Geschmack waren die 283 Seiten fast zu kurz. Doch sie enthielten alles, um den Zusammenhang zu verstehen.