Rezension

Drei mutige Frauen kämpfen für ihre Zukunft

Der Zopf - Laetitia Colombani

Der Zopf
von Laetitia Colombani

Bewertet mit 4 Sternen

Drei Frauen auf drei Kontinenten, sie kennen sich nicht und sind doch in ihrem Kampf ums Überleben miteinander verbunden.

Smita, die Inderin, ist eine Unberührbare und somit in der Rangordnung der Kasten ganz unten – es bleibt ihr nur die Drecksarbeit für die anderen zu verrichten. Um ihrer Tochter Lalita ein solches Schicksal zu ersparen entschließt sie sich zu fliehen und quer durch das Land zu Verwandten zu fahren, um dort ein neues Leben zu beginnen. Als sie am Tempel von Tirupati vorbei kommen ändert sie ihre Pläne. Sie möchte Gott Vishnu eine Opfergabe darbringen, um seinen Segen zu erhalten. Doch was kann sie opfern?

Giulia lebt auf Sizilien, wo sie im Unternehmen der Familie nach alter Tradition Perücken herstellt. Als ihr Vater einen Unfall erleidet entdeckt sie, dass die Fabrik kurz vor dem Ruin steht. Ihre Mutter möchte sie mit einem reichen Verehrer verheiraten, um so das Unternehmen und die Familie zu retten. Aber Giulia liebt Kamal, ein Student aus Indien – und dieser hat eine großartige Idee.

Sarah ist erfolgreiche Anwältin und zukünftige Partnerin einer Kanzlei in Montreal. Tagtäglich ist sie mächtigem Stress ausgesetzt, um als alleinerziehende Mutter ihren drei Kindern und ihren beruflichen Anforderungen gerecht zu werden. Eines Tages hat sie im Gerichtssaal einen Zusammenbruch, eine Untersuchung ergibt die Diagnose Brustkrebs. Sie versucht ihre Krankheit zu verheimlichen und arbeitet bereits zwei Wochen nach der OP wieder. Als ihr Arbeitgeber durch Indiskretion von ihrer Krankheit erfährt, werden ihr die wichtigen Mandanten entzogen. - So fasst sie schweren Herzens einen Entschluss, der ihr Leben von Grund auf verändern soll.  

Laetitia Colombani, geb. 1976 in Bordeaux, ist eine französische Schauspielerin, Regisseurin, Drehbuchautorin und Schriftstellerin. „Der Zopf“ (La Tresse, 2017) ist ihr erster Roman, der 2019 im S. Fischer Verlag erschienen ist. Die Autorin erhielt dafür 2017 den Prix Ulysse und 2018 den Globe de cristal in der Kategorie „Bester Roman“. Zwei weitere Romane „Das Haus der Frauen“ 2020 und „Das Mädchen mit dem Drachen“ 2022 folgten, die ebenfalls vom S. Fischer Verlag verlegt wurden. Laetitia Colombani lebt in Paris.

Haare sind die verbindende Materie dieser drei unterschiedlichen Frauenschicksale, die sich auf wundersame Weise miteinander verflechten. Leider ist dies schon früh vorhersehbar, was jedoch den Lesespaß keineswegs trübt. Die Frauen kämpfen für ihre Überzeugungen, für ihre Familie und für ihr Glück. Dabei sind es nicht nur die Männer, die ihnen Steine in den Weg legen – nein, sie müssen sich oftmals auch gegen das eigene Geschlecht durchsetzen.

Den Schreibstil fand ich sehr ansprechend. Die Autorin hat nicht nur einen angenehm flüssigen Sprachrhythmus, sondern kann auch Szenen und zwischenmenschliche Beziehungen treffend wiedergeben. Über das weitere Schicksal der drei Protagonistinnen berichtet sie abwechselnd, immer nur auf eine fokussiert, in kurzen Episoden, die meist mit einem Cliffhanger enden. Etwas störend allerdings empfand ich das vermeintlich glückliche Ende. Es hat sich ja nicht allzu viel geändert, die Standesunterschiede bleiben erhalten: Smita, die Ärmste der Armen hat ihre Würde, bleibt aber nach wie vor arm, Giulia muss weiterhin hart arbeiten, um der Familie ihre Fabrik zu erhalten, einzig die wohlhabende Sarah kann sich das leisten, wofür die anderen ihre Opfer bringen müssen, nämlich eine Echthaarperücke. 

Fazit: Ein ansprechendes Debüt, das durchdacht konstruiert ist uns sich gut und flüssig lesen lässt.