Rezension

Ein sehr starkes und enorm wichtiges Buch

Die kurze Stunde der Frauen -

Die kurze Stunde der Frauen
von Miriam Gebhardt

Bewertet mit 5 Sternen

Für mich hat das Buch schon allein deswegen fünf Sterne verdient, weil es sich mit dem Dilemma der ewigen Benachteiligung der Frauen in unserer Gesellschaft beschäftigt. Die Autorin macht das Thema an "Der kurzen Stunde der Frauen" in der unmittelbaren Nachkriegszeit fest, in der die Männer gar nicht oder nur sehr geschwächt anwesend waren und die Frauen mit den katastrophalen Folgen des Krieges allein fertig werden mussten. Das konnte möglicherweise als emanzipierte Zeit gewertet werden. Aber stimmt das denn überhaupt? Miriam Gebhardt schaut genauer hin, betrachtet die den Frauen zugewiesenen Rollen in der NS-Zeit, in der Nachkriegszeit und in den 50er und 60er Jahren. Sie arbeitet sehr deutlich heraus, welche Traditionen, gesellschaftlichen Zwänge und äußere Umstände das Leben der Frauen prägten. Dazu zieht sie beispielhafte Tagebucheinträge mehrerer Frauen aus den jeweiligen Jahren heran. Auch wenn die geschilderten Dinge nicht neu für mich waren, so sind sie doch in der sachlichen komprimierten Form ziemlich schwere Kost. Die harten Fakten gingen mir heftig an die Nieren. Wie die Demütigung, Entmündigung, Misshandlung und Ausgrenzung von Mensche auf Grund ihres Geschlechts als gut und richtig angesehen werden konnte (und ja wohl auch heute noch teilweise angesehen wird), wird mir wohl immer fremd bleiben.
Sehr spannend ist auch die Gegenüberstellung der Lebensbedingungen für die Frauen in Westdeutschland (BRD) und Ostdeutschland (DDR). Obwohl die Frauen in der DDR sehr viel selbstbestimmter leben konnten und die Familienpolitik sehr viel fortschrittlicher war als im Westen, war ihr privates Umfeld weiterhin von patriarchalischen Strukturen geprägt. Auch der Zugang zu Macht und Einfluss in Politik und Wirtschaft nur den Frauen nur schwer bis gar nicht möglich.
Ich habe viel Stoff zur Auseinandersetzung mit meinen eigenen Positionen zum Thema gefunden. Wie die Autorin richtig konstatiert, sind die Frauen keine einheitliche Gruppe. Jede Frau erlebt ihre Situation sehr individuell. Dieses Buch ist ein wichtiger Beitrag zu mehr Verständnis und Akzeptanz.
Ich gebe eine unbedinge Leseempfehlung für Menschen, die offen dafür sind, sich mit deutscher Geschichte und dem Thema der Geschlechtergerechtigkeit auseinander zu setzen. Ich wünsche dem Buch sehr viele Leserinnen und Leser.