Rezension

Schwieriges Thema

Die kurze Stunde der Frauen -

Die kurze Stunde der Frauen
von Miriam Gebhardt

Bewertet mit 4 Sternen

„...Wenn wir uns heute mit den Frauen der Nachkriegszeit beschäftigen, hören wir oft Heldinnengeschichten: Erst befreien sie mit bloßen Händen das Land von Trümmern des Kriegs, dann tragen sie kraft ihrer reinen Herzen dazu bei, das Land von seiner moralischen Schuld zu reinigen...“

 

Diese Zeilen stammen aus dem Prolog des Buches. Auf den folgenden Seiten räumt die Autorin dann mit diesem Mythos gründlich auf.

Der Schriftstil ist sehr sachlich. Das passt zum Inhalt. Er fordert Konzentration. Häufig greift die Autorin auf Originaldokumente zurück. Die werden allerdings nicht zitiert, sondern von ihr aufbereitet und zusammengefasst.

Das Buch gliedert sich in neun Kapitel. Zuerst analysiert sie das Verhalten der Frauen während der Zeit des Nationalsozialismus.

 

„...Wir wollen nicht vergessen, selbst diejenigen, die zu jung waren, um die Verantwortung für die Naziverbrechen und den Angriffskrieg der Deutschen tragen zu müssen, waren oftmals bis zum Schluss von der Sache überzeugt gewesen...“

 

In persönlichen Gesprächen im Bekanntenkreis habe ich die Erfahrung gemacht, dass Flucht und Nachkriegszeit ein Thema waren, die eigentliche Kriegszeit aber meist ausgespart wurde. Natürlich kann die Autorin nicht auf die Vielschichtigkeit des Verhaltens der Bevölkerung eingehen. Sie gibt Beispiele von Frauen an, die aktiv im Regime involviert waren.

Anschließend geht die Autorin auf die Gewalterfahrung der Frauen während der Besatzung ein. Sie macht dabei deutlich, dass es dieses Problem bei allen Besatzungsmächten gab. Das sind erstaunlich neue Töne.

Das Bild der Trümmerfrau rückt sie gerade. Viele wurden zwangsverpflichtet, andere sahen die Chance, dadurch an eine bessere Versorgung zu kommen. Ich kenne historische Romane, in denen das sehr realistisch dargestellt wird.

 

„...Die große Anerkennung, die den Frauen der Nachkriegszeit heute gezollt wird, haben sie sich in erster Linie für ihren Einsatz in der Familie verdient...“

 

Diesen Abschnitt hätte ich mir etwas ausführlicher gewünscht. Zwar wird gut herausgearbeitet, dass die Frauen für das Überleben der Familie verantwortlich waren, aber dass sie auch diejenigen waren, die häufig die Flucht organisieren mussten, wenn die Front näher rückte, wird kaum erwähnt. Gerade hier zeigte sich aber Organisationstalent und kreatives Handeln.

In den folgenden Kapiteln geht es dann darum, wie den Frauen das Heft des Handelns wieder aus der Hand genommen wurde. Die geäußerten Gedanken zu den Ursachen sind nachvollziehbar. Gut gefällt mir, dass die unterschiedliche Entwicklung im Westen und im Osten dargestellt wird. Beides wird von der Autorin kritisch betrachtet.

Das letzte Kapitel widmet sich der Kindererziehung.

Viele Fotos sind eingefügt.

Ich fand die Darstellung interessant, kann mir aber vorstellen, dass das Buch durchaus für kontroverse Diskussionen sorgen könnte.