Eine Farbpalette von Emotionen
Bewertet mit 4 Sternen
Clara Maria Bagus ist die Autorin von „Die Farbe von Glück“. Sie studierte in den USA und in Deutschland Psychologie. Außerdem war sie eine Zeit lang in der Hirnforschung tätig. Sensibel, emotionsreich und voller Einfühlungsvermögen beschreibt sie in dem „Roman über das Ankommen“ die Lebenswege und -entscheidungen von zentral in der Erzählung stehenden Familien. Der Lesende bekommt einen Einblick in die Gedanken, Zweifel und Ängste jeder einzelnen Person. Aus diesem Grund lässt sich die Geschichte einfach lesen und jedes Einzelschicksal erhält nachvollziehbare Gründe für das jeweilige Handeln, Denken und Fühlen. Dieser Aspekt scheint ein Kernelement der Vorgehensweise der Autorin zu sein. Aus dem Klappentext im Buch geht hervor, dass Frau Bagus immer wieder Menschen begegnete, die auf der Suche nach sich selbst sind. Das eine persönliche Orientierung in der Welt manchmal schwer zu finden ist, weis die Autorin aus eigener Erfahrung. Darum schrieb sie in „Die Farbe von Glück“ über die großen Fragen unseres Lebens, um die Lehren und Weisheiten aus ihrem Leben mit den Menschen in der Welt zu teilen.
Die ersten Zeilen von Kapitel 1 sind folgendermaßen: „Menschen unterscheiden sich in ihren Träumen. In ihren Hoffnungen sind sie alle gleich.“ Dann beginnt die Geschichte mit der Vorstellung des sechsjährigen Antoine.
Lange blickt er in die Ferne und hält Ausschau nach ihrem blauen Kleid. Nachdem seine Mutter Marlene ihn verlassen hatte, nimmt die junge Krankenschwester Charlotte den kleinen Antoine bei sich auf. Im weiteren Verlauf erfährt der Lesende etwas über das Ehepaar Jules und Louise. Sie befinden sich im Krankenhaus, da sie ein Kind bekommen haben. Das Frischgeborene ist kränklich und schwach. In der Vergangenheit verlor Louise bereits Kinder in der Schwangerschaft. Nun ist sie der Verzweiflung nahe. Die Überlebenschancen für das Baby sind gering. Da trifft Jules einen folgenschweren Entschluss. Im gleichen Moment, indem seine Tochter geboren wurde, gebar eine weitere Frau im selben Krankenhaus ein Mädchen. Auch Charlotte ist Teil dieses Entschlusses... Fortan beginnt ein Leben, das für alle Beteiligten unzählige Fragen aufwirbelt und zu unvorhergesehenen Wendungen führt.
„Können wir im falschen Leben das richtige finden? Wie öffnet man sich einem neuen? Wie lässt man los?“
Der Roman besitzt einen durchgehend beschreibenden Charakter. Die Handlung ist geprägt von emotional gefärbten Gedanken der einzelnen Handlungstragenden. Unter anderem werden das Aussehen der Umgebung, die Fahrt in einem Zug und die vorbeiziehende Landschaft mit Liebe zum Detail beschrieben. Dialoge behandeln ausschließlich die Schlüsselmomente der aktiven Protagonisten. Zwischendrin fließt die Erzählung immer wieder durch die nachdenklichen und gedachten Inhalte der Charaktere unaufdringlich in zusammenfassende Aussagen und Erkenntnissen über das Leben, Lieben und Lernen. In manchen Fällen teilen sich die Protagonisten auch einander mit. So schafft es die Autorin durch ihre Figuren Weisheiten auszusprechen, die dem Lesenden einen Spiegel vorhalten können, wenn dieser sich den Worten öffnet.
Zum Beispiel:
„Findest du nicht, dass du es dir lange genug einfach gemacht hast? Du pflügst nie unbekannten Boden um. Sammelst nur ein, was dir die Flut vor die Füße spült. Wenn du dich am stärksten auf dich selbst besinnen solltest, schaust du am häufigsten darauf, was andere machen. Du verlegst den eigenen Mittelpunkt in einen anderen Menschen. Leben und Schicksal sind für Einzelne gemacht. Imitation in Suizid. Such dich selbst nicht außerhalb von dir selbst. Alle Wegweiser, die du zur Führung deines Lebens brauchst, findest du in dir.“
„Dass wir viel zu viel jammern, uns viel zu leicht dem Leiden hingeben. Wir leiden, weil in unserem Leben etwas ist, dass wir nicht mögen. Wir leiden, weil in unserem Leben etwas fehlt, dass wir gern hätten. Wir möchten etwas, dass wir nicht bekommen. Wir bekommen etwas, dass wir nicht möchten. Wir leiden an Veränderungen. Darunter, dass wir alt werden. Es gibt selbst das Leiden am Leiden. Auch werden Umstände, die zu lange dauern, irgendwann zum Leiden. Selbst dann, wenn wir sie eigentlich mögen. Angenehme Dinge werden nach einer Weile unangenehm. Glück, zum Beispiel, ist kaum zu ertragen, wenn es zu lange anhält. Manchmal werden wir sogar unglücklich, wenn alles in unserem Leben zu stimmen scheint, weil zu lange nichts anderes passiert.“
„Wir sollten nicht vorschnell über jemanden urteilen. Kein Urteil wird einem Menschen je gerecht. Um die Motive zu verstehen, müssen wir in seine Haut schlüpfen. Ganz und gar. Und wer weiß schon, wozu er selbst fähig wäre, wenn er in der Haut eines anderen steckte?“
„Die Farbe von Glück“ lädt zum Reflektieren ein. Ich denke, das Buch soll motivieren und den Lesenden für neue Blickwinkel öffnen. Ich mag es und unterstreiche die Aussagen der Autorin gerne. Auch die Geschichte ist spannungsvoll erzählt und besitzt einige Wendungen. Es ist allerdings auch ein „Feel-Good-Roman“. Insofern werden eher negativ wahrgenommene Momente romantisiert. Für mich in Ordnung. Ich bin überaus dankbar für den intrinsischen Antrieb von Frau Bagus, der sie bestärkte, in diesem Werk viele wertvolle Sätze aufzuschreiben. Dieser Roman über das Streben nach Glück, der Sinnsuche in unserem Leben und dem Suchen und Finden von Liebe ist für mich sehr lesenswert gewesen. Denn all diese Dinge sind nicht nur in einem Moment wichtig. Sie begleiten uns das gesamte Leben und von Zeit zu Zeit müssen wir uns daran erinnern.