Rezension

Enttäuschend, konnte mich leider weder fesseln noch berühren…

Das Mädchen, das in den Wellen verschwand -

Das Mädchen, das in den Wellen verschwand
von Axie Oh

~ Das Jugendbuch „Das Mädchen, das in den Wellen verschwand“ hat leider überhaupt nicht meinen Geschmack getroffen. Es konnte mich weder fesseln noch mitreißen, noch berühren und ich konnte die Lektüre leider nicht genießen, sondern habe mich gelangweilt und durchgequält. Die guten Momente, die es durchaus gab, können für mich die großen Schwächen (Plot, Tiefe, Figurenzeichnung, Spannung) leider nicht aufwiegen. Deshalb gibt es von mir leider keine Leseempfehlung. ~

Inhalt

Seit vielen Jahren erschüttern heftige Unwetter Minas Heimat und fordern viele Tote. Schuld ist der Meeresgott, der die Gebete der Menschen nicht mehr erhört. Jedes Jahr wird deshalb ein Mädchen dem Meer geopfert – in der Hoffnung, den Meeresgott zu besänftigen und die Menschenwelt zu retten. In diesem Jahr soll die große Liebe ihres Bruders in die Fluten geworfen werden, doch das kann Mina nicht zulassen. Sie opfert sich selbst. In der Geisterwelt unter dem Meer angekommen, muss sie feststellen, dass auf dem Meeresgott ein Fluch liegt und sie nur 30 Tage Zeit hat, ihn zu brechen, bevor sie selbst stirbt…  

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzählweise, Präsens
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: kurz bis mittel

Inhaltswarnung: Blut, Gewalt, Trauer, Tod, nicht-vegane Ernährung
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: --- ♥

Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen:

- Märchen-Neuerzählungen
- SEHR langsames, ruhiges Erzähltempo
- stellenweise kitschiger und pathetischer Ton
- Unterwasser-Setting
- Geister und Gottheiten
- Flüche
- ein Mädchen muss die Welt retten

Meine Rezension

„‘Der Meergott ist nicht wütend, Mina. Er ist verloren. Er wartet, in seinem weit entfernten Palast jenseits dieser Welt. Auf jemanden, der den Mut hat, ihn zu finden.“ E-Book, Position 191

Wenn es um Göttinnen und Götter geht, bin ich normalerweise raus – zu wenig interessiere ich mich für diese unmenschlich starken, unsterblichen Wesen ohne richtige Probleme (don’t @ me! ;) ). In diesem Fall habe ich mich dann aber doch vom Klappentext (asiatische Märchen-Neuerzählungen findet man dann doch nicht so oft auf dem deutschen und österreichischen Buchmarkt) und Cover neugierig machen und von den begeisterten Rezensionen aus dem englischsprachigen Raum mitreißen lassen. Doch war das vielleicht ein Fehler? Diese Frage kann ich im Nachhinein leider nur bejahen, denn es stellte sich schon nach wenigen Seiten heraus: Dieses Buch und ich – wir passen nicht zusammen. Deshalb habe ich heute mal wieder eine „unpopular opinion“ für euch…

Ich wünschte, ich könnte mich an dieser Stelle über Spannungseinbrüche im Mittelteil oder Ähnliches beschweren, aber die Wahrheit ist, dass für mich dieses ganze Buch ein einziger Spannungseinbruch war, ein spannungs- und druckfreier Raum, ein Vakuum. Die Wahrheit ist, dass mich die Geschichte überhaupt nie richtig fesseln und mitreißen konnte, dass ich bis zum Ende nicht richtig darin angekommen bin. Der Schreibstil ist verträumt, das Erzähltempo ist extrem behäbig und langsam (was wohl typisch für asiatische Märchen-Retellings sein soll, wie mir gesagt wurde) und die Story plätschert die ganze Zeit ohne große Höhepunkte vor sich hin. Es gab so viele Momente, die mich emotional aufwühlen hätten sollen, mich aber durch den distanzierten Schreibstil kaltließ. Bei Vorkommnissen, die mir eigentlich ein „O mein Gott!“ entlocken hätten sollen, kam von mir innerlich nur ein müdes: „Okay – und weiter?“

Ich empfand die Erzählweise als unglaublich mühsam, es gab so viele Wiederholungen und es passierte so wenig. Dazu kam der immergleiche Ablauf in der ersten Hälfte: Umgebungsbeschreibungen, „Meine Großmutter hat gesagt…“, Naturbeschreibungen, „Meine Großmutter hat gesagt…“, Umgebungsbeschreibungen, plötzlich wie aus dem Nichts extrem feindselige Dialoge, die eher zu Eniemies-to-lovers-NA-Romantasy-Geschichten gepasst hätten (?), dann wieder Beschreibungen, dann wieder die Oma und so weiter und so fort… Vor allem in der ersten Hälfte musste ich mich förmlich zwingen, Seite um Seite umzublättern – trotzdem dauerte es TAGE, bis ich einen nennenswerten Fortschritt erzielte. Ich habe immer wieder mit dem Gedanken gespielt, das Buch abzubrechen, habe mich selten so gelangweilt.

Vieles blieb mir hier auch einfach zu oberflächlich: Die ständigen Umgebungsbeschreibungen waren so nichtssagend und wenig atmosphärisch, dass das Kopfkino nicht ansprang. Die Figuren wirkten auf mich (mit wenigen Ausnahmen) so flach und unecht und uninteressant wie Pappaufsteller. Die Protagonistin, die als bester und tollster und mitfühlendster Mensch der Welt dargestellt wurde (es nervte irgendwann!) und ansonsten keine nennenswerte Persönlichkeit, keine Ecken und Kanten besitzt, war mir vollkommen egal. Dazu kamen die Liebesgeschichte, die sich zu schnell entwickelt, und die Liebesbekundungen, die sich überstürzt anfühlten, sodass ich Minas Gefühle nicht nachvollziehen und auch nicht nachempfinden konnte (auch wenn der Love Interest Potential hatte und ganz nett war). Themen wie Erwachsenwerden, Familie, Glaube, Emanzipation von gesellschaftlichen Erwartungen, Trauer und Liebe werden nicht mit der notwendigen Tiefe behandelt. Auf keiner Seite konnte ich je vergessen, dass ich hier einen konstruierten, erfundenen Roman vor mir habe – denn genau so fühlt sich dieser Text auch an. Vor allem gegen Ende wurde es mir stellenweise auch deutlich zu pathetisch und kitschig im Ton.

Besonders feministisch fand ich die Geschichte übrigens auch nicht. Ich kann nur dem zustimmen, was ich auf Goodreads in einer Rezension gelesen habe: Frauen und Mädchen treten in dieser Welt hauptsächlich als Ehefrauen, fürsorgliche Mütter und Großmütter und Bräute (eher Spielbälle) der mächtigen, kämpferischen Männer auf – auch wenn es durchaus den einen oder anderen starken Moment und ein paar coole Göttinnen gibt und wenn Geschlechterstereotype hin und wieder gebrochen werden. Aber auch hier habe ich einfach mehr erwartet.

„Ich ‚fühle‘, wie mein Wille bröckelt. Ich bin nicht wie Joon, der ein weiches Herz hat. Ich kann trotzig und grausam sein. Grimmig und nachtragend. Und all das will ich jetzt sein, damit ich den Mut nicht verliere.“ E-Book, Position 304

Doch nicht alles war an diesem Jugend-Fantasy-Roman von Axie Oh schlecht, versteht mich bitte nicht falsch – es gab sie durchaus, die kreativen Ideen (z. B. Fische, die am Himmel ihre Bahnen ziehen), die schönen, die berührenden und gelungenen Momente und magischen Formulierungen. Manche Stellen habe ich mir sogar markiert. Leider können meiner Meinung nach dadurch die gravierenden Schwächen dieses Buches in den Bereichen Spannung, Figurenzeichnung, Plot und Tiefe nicht aufgewogen werden. Deshalb gibt es von mir auch nur 2 Sterne. Ich bin durchaus bereit, dem Genre (asiatische Neuerzählungen von Sagen oder Märchen) noch eine Chance zu geben, der Autorin hingegen eher nicht. Wir zwei passen einfach nicht zusammen.

„In mir steigt sengende Wut auf, von meinem Bauch aus krallt sie sich einen Weg in die Höhe, um mir die Kehle zuzuschnüren.“ E-Book, Position 124

Mein Fazit

Das Jugendbuch „Das Mädchen, das in den Wellen verschwand“ hat leider überhaupt nicht meinen Geschmack getroffen. Es konnte mich weder fesseln noch mitreißen, noch berühren und ich konnte die Lektüre leider nicht genießen, sondern habe mich gelangweilt und durchgequält. Die guten Momente, die es durchaus gab, können für mich die großen Schwächen (Plot, Tiefe, Figurenzeichnung, Spannung) leider nicht aufwiegen. Deshalb gibt es von mir leider keine Leseempfehlung.

Bewertung

Cover / Aufmachung: 5 Sterne ♥
Idee: 4 Sterne
Inhalt, Themen, Botschaft: 2,5 Sterne
Umsetzung: 2 Sterne
Worldbuilding: 3 Sterne
Einstieg: 1 Stern
Ende: 3 Sterne
Schreibstil: 3 Sterne
Protagonistin: 3 Sterne
Figuren: 2 Sterne
Spannung: 1 Stern
Tempo: 1 Stern
Wendungen: 2 Sterne
Atmosphäre: 3 Sterne
Emotionale Involviertheit: 2 Sterne
Feministischer Blickwinkel: 3 Sterne
Einzigartigkeit: 4 Sterne

Insgesamt:

☆★ Sterne

Dieses Buch bekommt von mir zwei Sterne!