Rezension

Erinnerungen an Paris...

Das Echo der Wahrheit - Eugene Chirovici

Das Echo der Wahrheit
von Eugene Chirovici

Bewertet mit 5 Sternen

Wann ist Wahrheit wirklich wahr, ab wann Fiktion oder gar Irrsinn? Wer beurteilt "wahr" oder "unwahr" und wie steht es überhaupt selbst mit dem Verständnis desjenigen, der die Wahrheit rein beruflich zu beurteilen vermag? Jeder ist davon überzeugt, stets die reine  Wahrheit zu sagen und wenn er/sie es wissentlich nicht macht, dann aus einem vermeintlich nachvollziehbarem Grund - meist folgt die anschließende Rechtfertigung stehenden Fußes, weil man weiß, dass es eben doch nicht wahr ist? Irgendwie verwirrend, oder? ;-)
Der an Leukämie erkrankte Millionär Joshua Fleischer kontaktiert nach einem Vortrag in New York den bekannten Psychologen Dr. James Cobb und bittet ihn, auf sein Anwesen nach Maine zu kommen. Nach anfänglichen Zweifeln sagt Dr. Cobb zu und verbringt einige Tage auf dem Anwesen von Fleischer. Dieser offenbart Cobb eine verhängnisvolle Nacht in Paris, Mitte der 70er-Jahre, an die er sich nur noch bedingt erinnern kann. Dennoch ist Fleischer felsenfest davon überzeugt, dass er sich eines Mordes schuldig gemacht hat, ohne wirklich zu wissen, was in besagter Nacht passiert ist. Fleischer erzählt Dr. Cobb, dass er mit seinem Studienfreund Abraham Hale, genannt Abe und der sehr ansehnlichen Simone den  Sommer gemeinsam verbracht hat, in dem es im Laufe der Zeit immer mehr zu Spannungen zwischen den dreien gekommen ist - die Männer verlieben sich in Simone, während diese die Männer eher als Freunde wahrnimmt. Dr. Cobb setzt seinen Patienten unter Hypnose, obwohl er durch den Gesundheitszustand Fleischers eher große Bedenken  hat und versucht dennoch, Licht in´s Dunkel zu bringen. Letztlich werfen die vermeintlichen Erinnerungen Fleischers eher Fragen als Antworten auf und ohne das Geheimnis lüften zu können, verstirbt Fleischer kurze Zeit später - zurück bleibt ein rat- und rastloser Psychiater, den während der Behandlung die eigene Vergangenheit einzuholen scheint und er sich nicht nur seiner, sondern auch Fleischer´s Erlebtem durch diverse Nachforschungen stellen muss...
Schon das Cover hat mich sofort überzeugt - eine mediteran angehauchte Seitengasse, in der man die Gedanken schweifen lassen kann, farblich ist die Fotographie durch das spärlich verwendetete Licht dennoch sehr kontrastreich - schlicht, aber ein Hingucker. Wer gerne mit (seiner) Sprache spielt, lange Sätze und Ansätze der Psychologie nicht scheut, ist mit diesem Buch von Eugene Chirovici sehr gut beraten - mir hat der Schreibstil von der ersten Seite an sehr gut gefallen, auch die "gepflegte Konversation" zwischen Patient und Arzt hat mich gleich in seinen Bann gezogen. Ebenfalls die zahlreichen Schriftwechsel in Form von Emails oder Briefen haben der Geschichte eine interessante Mischung verliehen. Die Geschichte wird aus Sicht des Dr. Cobb erzählt, ein Mann, der anscheinend beruflich einiges erreicht hat, dennoch als Mensch nicht bei sich angekommen zu sein scheint. Es fließen immer wieder psychologische Aspekte und Gedankenspiele in die Geschichte mit ein, ohne das Buch "schwer" werden zu lassen - durch die sich immer wieder neu gestaltete Story bzw die verschachtelten Handlungsabläufe, in die man geistig quasi wie in einem Labyrinth umherschwirrt, hat das Buch für mich einen richtigen Sogcharakter entwickelt. Auch durch die verschiedenen, teils ziemlich zwielichtigen Personen, die auf der Bühne erscheinen, wird man als Leser nie müde, das Buch aus der Hand zu legen, jede Unterbrechnung empfand ich daher als sehr störend. Der Autor versteht es sehr gekonnt, Wahrheit und Fiktion gegeneinander antreten zu lassen, ohne dabei selbst ein Urteil zu fällen. Erzählerisch ein tolles Buch, dass mich voll überzeugt hat, eine Geschichte, die ein überraschendes Ende aufweist und für mich gerne noch ein paar Seiten mehr hätte haben können. ;-)