Rezension

etwas völlig anderes

Lichtspiel -

Lichtspiel
von Daniel Kehlmann

Bewertet mit 5 Sternen

Den Autor Daniel Kehlmann kannte ich bisher nicht. Vorweggenommen bin ich aber froh, ihn jetzt kennenlernen zu dürfen.

„Lichtspiel“ ist ein Roman der Filmgeschichte, eingebettet in die Geschichte der Zeit vor der Machtergreifung Hitlers.  

Die Nationalsozialisten ringen um die Macht, was zur Folge hat, dass Juden und andersdenkende Menschen brutal verfolgt wurden. Einige Zeitgenossen, darunter auch der damalige berühmte Filmregisseur Georg Wilhelm Pabst erkennen die Zeichen der Zeit und setzen sich in die USA ab. Doch der einstige Ruhm ist nicht zuletzt wegen der Sprachbarrieren verblasst. Kaum jemand erkennt in Pabst noch den weltberühmten Regisseur. Im Kapitel „Am Pool“ beschreibt Kehlmann typische Situationen, wie sie sich bei Gesellschaften der Filmschaffenden abgespielt haben.
Die Sorge um seine noch in Österreich lebende Mutter treibt ihn schließlich wieder in seine alte Heimat zurück. Aber auch hier holt ihn die Macht des Regimes ein. Pabst muss sich unterordnen und sogar mit dem Regime in Person des Propagandaministers zusammenarbeiten. Inzwischen ist der Krieg ausgebrochen und eine Flucht aus Österreich scheint unmöglich. Eine schlimme Zeit, nicht nur für Pabst. Die dunkle Seite der Macht zeigt sich auf sehr beklemmende Art und Weise.

Der Autor vermittelt die Atmosphäre dieser Zeit auf eine beeindruckende  Weise.

Lesehighlights waren für mich die Gespräche mit dem Propagandaminister Goebbels und der Schauspielerin Leni Riefenstahl. Beängstigend scharf hat der Autor es verstanden, das Böse dieser Personen und die Regimetreue der Menschen dieser Epoche zu enttarnen.
In den Szenen auf Schloss Dreiturm wird das menschverachtende System besonders deutlich.  

Der älteren Generation und Menschen, die sich mit der Geschichte des Nationalsozialismus beschäftigen, werden hier unverkennbar maßgebliche Personen dieser Ära  erkennen. Mir jedenfalls haben sich unwillkürlich Parallelen zu rechten Tendenzen unserer Zeit aufgedrängt.

Die historischen Fakten werden brillant nacherzählt und in eine eigene Geschichte eingebettet, so, dass man durchaus von einem halbdokumentarischen Roman sprechen kann.

Irritiert hat mich anfangs die wechselseitige Sicht unterschiedlicher Personen. Sehr interessant fand ich die Passagen über das Einmaleins der Filmarbeit. Allerdings erschienen mir die detaillierten Schilderungen später etwas zu langatmig.

Insgesamt  gesehen hat mich das Buch förmlich gefesselt. Der Schreibstil ist flüssig und die Geschichte hat einen stabilen Spannungsbogen. „Lichtspiel“ ist ein Buch, das ich absolut weiterempfehlen kann. Es vermittelt zeitgeschichtliches Wissen und Erkenntnisse über die Arbeit der Filmschaffenden aus der Zeit nach dem Stummfilm, die mir als Leser bisher nicht bekannt  waren.