Rezension

Pabst bleibt sehr blass

Lichtspiel -

Lichtspiel
von Daniel Kehlmann

Bewertet mit 3.5 Sternen

So richtig warm geworden bin ich mit Daniel Kehlmanns neuem Roman „Lichtspiel“ nicht. Das Buch über den Filmregisseur G.W. Papst hat mich nur an wenigen Stellen in seinen Bann gezogen.

Das liegt zum einen daran, dass „Lichtspiel“ nicht durchgängig im Sinne einer Biographie erzählt wird. Pabst steht eher beispielhaft für die Frage, wie man als Künstler im Dritten Reich überleben konnte. Nur so lassen sich die Wechsel in der Erzählperspektive erklären, die Kehlmann immer wieder in seinen Roman eingebaut hat.

Hinzu kommt manches, das literarisch überhöht erzählt wird wie etwa die Flucht aus Prag. Der Weg zum Bahnhof wird mithilfe von Filmeinstellungen erzählt. Das mag originell sein, wirkt aber sehr abgehoben im Vergleich zu dem klassischen Erzählen, das ansonsten das Buch weistestgehend prägt. Problematisch sind auch die starken Übertreibungen, die immer wieder den Erzähler übermannen. So wird die Verwandlung, die der Nationalsozialismus bei den einfachen Angestellten Pabsts nicht nur bei einer Figur, sondern gleich bei allen Personen durchexerziert. Sie alle lassen sich plötzlich von Pabst nichts mehr sagen, sondern verhalten sich ihm gegenüber respektlos, ja sogar aggressiv. So gut die Idee dahinter: es ist dann doch einfach zu viel.

Und wenn es am Ende des Buches um Pabsts unvollendet gebliebenen Film „Der Fall Molander “ geht, wechselt der Roman zum reinen Künstlerroman. Hier entfernt sich Kehlmann zudem weit von den historischen Tatsachen. Während „Der Fall Molander“ tatsächlich ungeschnitten im Prager Filmarchiv lagert, wird er bei Kehlmann zum Opfer einer Verwechslung und schließlich zu einer Art Racheakt an Pabst. Wobei zum Schluss hin sich zudem noch die Frage stellt, was denn nun die „Realität“ sein soll und was vielleicht auch Hirngespinste sind.

Losgelöst von historischen Tatsachen, wird aus Pabst am Ende des Buches fast schon ein Rebell, der aus der Filmvorlage eines durchschnittlichen NS-Schriftstellers in seiner Verfilmung ein geniales Meisterwerk fabriziert. Glaubt Pabst zumindest. Immer deutlicher wird, dass Pabst eher aus der Zeit gefallen ist, der Tonfilm eher schlecht für seinen künstlerischen Ansatz war.

Insgesamt bleibt Pabst in „Lichtspiel“ eher blass und konturlos. Einer, der nur dann aufblühte, wenn er am Drehen war. Der mit Schauspielern umzugehen wusste, ihr Talent aus ihnen herauskitzelte. Aber eben auch einer, der apathisch war, die politische Lage nicht durchschaute. Einer, dem es nicht gelang, angemessen mit seinem Sohn zu reden. Der sich in den USA wegen seines schlechten Englisch nicht durchsetzen konnte. Der sich von seiner Frau Trude herumdirigieren ließ.

Von dem Regisseur, der die USA verlässt, in Österreich aufgrund des Kriegsbeginns hängenbleibt und sich mit dem Staat zu arrangieren hat, ist am Schluss nur noch ein Gescheiterter übrig. Einer der glaubt, mit dem verlorenen Film seines größten Erfolgs beraubt zu sein. Einer, so muss man vermuten, der sich selbst belügt.

Seltsam in der Schwebe – vielleicht weil es kein historischer Fakt ist – bleibt Pabsts großer Sündenfall: beim „Molander“ fallen die Wehrmachtssoldaten aus und Pabst lässt für seine große Saal-Szene KZ-Häftlinge bringen. Sein Assistent greift ihn dafür an, ist sich aber später nicht mehr sicher, ob es denn wirklich so war. Will man „Lichtspiel“ als Roman über die Möglichkeiten eines Künstlers in einer Diktatur lesen, so ist gerade diese Stelle äußerst dürftig.

Etwas schade ist, dass Pabsts Nachkriegsfilme („Es geschah am 20. Juli“ und „Der letzte Akt“) in Kehlmanns Buch kaum eine Rolle spielen. Bei Kehlmann hat man den Eindruck, dass Pabst nach dem 2. Weltkrieg eher dahinvegetiert als dass er noch aktiv arbeitet. Hier ist eine Chance vertan, G.W. Pabst etwas vielschichtiger darzustellen.