Rezension

Familienbande

All die Jahre
von J. Courtney Sullivan

Bewertet mit 5 Sternen

Zwei irischen Halbwaisen, die Schwestern Nora und Theresa, wandern kurz nach dem 2. Weltkrieg nach Amerika aus, wohin es schon Noras Verlobten verschlagen hat. 
Nora ist beim Gedanken an die bevorstehende Hochzeit wie gelähmt und kann dem neuen Kontinent zu Beginn nicht viel abgewinnen. Theresa ist aufgeregt, fühlt sich frei und stürzt sich ins ungewohnte Leben. 
Doch dann geschieht etwas, mit dem keine von beiden gerechnet hat und Nora trifft eine folgenschwere Entscheidung, die das Leben der beiden Schwestern für immer gleichsam vereint wie entzweit. 

Der Generationenroman von J. Courtney Sullivan ist eine Fundgrube an detailliert gezeichneten Charakteren. Die Erzählung springt zwischen den Zeiten hin und her und lässt den Leser mal an den Ereignissen unmittelbar nach der Immigration, mal an Geschehnissen die im Jahr 2009 spielen, teilnehmen. Zu jeder Zeit vermag es die Autorin, die Emotionen der Figuren glaubhaft in die jeweilige Zeit zu setzen und deren Entwicklung über die Jahre nachfühlbar darzustellen.
Nora wird vierfache Mutter, Theresa Nonne. Über die Jahre haben beide Frauen fast keinen Kontakt mehr zueinander, bis der Tod von Noras ältestem Sohn eine Zäsur für alle Beteiligten bringt. 

Der Roman portraitiert alle Emotionen und Dynamiken, die Familien so hergeben: Verantwortung, Liebe, Respekt, Füreinandereinstehen, Streit, Akzeptanz, Trauer, Vermissen, Belügen. Wunderbar gelingt es der Autorin, die später erwachsenen Kinder Noras gleichsam als eigenständige, gefestigte Personen als auch immer noch aufeinander eingespielte Geschwister zu zeigen. Noras Verhalten ist gleichsam bewundernswert wie auch kritisierbar. 

Für jede der vorgestellten Personen kann der Leser (vielleicht nicht durchgängig, aber an dem ein oder anderen Punkt) Verständnis aufbringen, jeder Charakter ist 'echt' und jeder kennt entsprechende Identifikationsfiguren aus der eigenen Familie. Das macht den Roman so lebendig und trotz der traurigen Grundstimmung und tragischen Wendungen ist es eine Freude, ihn zu lesen. Auch Trauriges birgt Freude, weil es uns die Liebe und Menschlichkeit aufzeigt.