Rezension

Für die Liebhaber von Klassikern und Familienproblemen

Die unglaubliche Flucht des Uriah Heep - H. G. Parry

Die unglaubliche Flucht des Uriah Heep
von H. G. Parry

Bewertet mit 3 Sternen

Die Autorin H.G.Parry studierte englische Geschichte und hat ihren Beruf und die Liebe dazu in ihrem ersten Roman niedergeschrieben. Denn das ist dieses Buch, die Liebe zu alten englischen Klassikern.

Das erste was einem auffällt, ist dieses wunderschöne Cover mit den hochgestellten Buchstaben, welches ein bisschen die Farbe von alten Büchern hat. Die Geschichte selbst ist nicht alt, hat aber einen nostalgischen Touch mit drin. Denn wir erleben eine Geschichte in der Gegenwart mit Geschichten aus Büchern aus der Vergangenheit.

Der 26-jährige Literaturdozent Charley Sutherland ist berühmt auf seinen Gebiet. Die Klassiker von Dickens und anderen Autoren dieser Zeit sind sein Steckenpferd. Generell ist Charley etwas Besonderes. Mit zwei Jahren begann er zu lesen und zu schreiben, mit 12 hatte er schon mehrere Klassen übersprungen und sein Studium weit vor allen anderen abgeschlossen. Aber noch etwas anderes macht ihn einfach besonders. Die Tatsache, dass er mit vier Jahren das erste Mal einen Gegenstand und später Menschen aus Büchern gelesen. Ja, gelesen. Diese Menschen und Gegenstände waren vom Papier in unsere Welt gelangt. Echt und fassbar.

Diese Gabe, ist der Grund dafür, warum man ihn einen Beschwörer nennt. Die Menschen, die er aus Büchern liest, haben seine Interpretation und somit die Charaktereigenschaft, welche er reininterpretiert. Von dieser Gabe wissen jedoch nur seine Eltern und sein älterer Bruder Rob. Dieser ist vier Jahre älter und ein gutverdienender und angesehener Rechtsanwalt.  Dessen Lebensgefährtin Lydia weiß hingegen nichts von dem Mysterium um Charley, weiß nur das er sonderbar ist und niemand ihr sagen will was dahintersteckt.

Denn so ist Charley. Er ist sonderbar, tollpatschig, eigenbrötlerisch. Er ist nicht der Mann von Welt, der auf alle zugeht. Er liebt seine Bücher, seine Ruhe. Er liebt seine Familie und seinen Bruder, auch wenn dies nicht offen zeigen kann.

Doch eines Tages wird all das auf die Probe gestellt, als er nachts Rob aus dem Bett klingelt und um Hilfe bittet. Eine Figur aus einem Buch ist an der Uni aufgetaucht, wo er lehrt, nur das er dies nicht war. Gibt es einen zweiten Beschwörer oder macht Charley es unterbewusst? Dann taucht der Bösewicht Uriah Heep auf und für die beiden beginnt ein Abenteuer, womit sie niemals gerechnet hätten.

Dieses Buch verspricht im ersten Augenblick ein Abenteuer. Man denkt an Verfolgungsjagd, Reise durch Städte, Bücher aus allen Epochen. Aber nein, es ist anders als man denkt. Die Autorin hat ihren Schwerpunkt auf die Geschichte von Dickens und seinem Meisterwerk „David Copperfield“ gesetzt. So werden wir aufgeklärt, was sein Buch bedeutet, lernen Charaktere aus diesem Buch und anderer derer Zeit kennen. Die Charaktere die Bücher sind nicht modern und von heute, sondern alles Klassiker. Man muss sie nicht kennen, man bekommt sie nähergebracht. Für mich persönlich war es etwas schade, weil mich jüngere Protagonisten der letzten zwanzig Jahre mehr angesprochen hätten. Aber es hat seinen Sinn, warum es diese sind, werde dazu aber nicht mehr schreiben, da es zu viel verraten würde.

Das Buch ist mit seinen 600 Seiten schon sehr umfassend geschrieben. Wir erleben die Geschichte meistens aus der Sicht vom Bruder Rob, aber auch von Milli der Kinderdetektivin, Uriah oder anderen, wenn Rob nicht Teil der Episode ist. Auch das Tagebuch von Charley fand hier und da seinen Platz und gibt uns Einblicke in sein sonst verschlossenes Seelenleben. Bei allen war der Schreibstil für diese Figur besonders und wiedererkennbar. Für mich war der Lesefluss zwar da, aber ich mochte persönlich nicht die vielen Wiederholungen und manchmal etwas übertriebenen Dialoge. Es gab Passagen, die inhaltlich auf eine Seite gepasst hätten, wenn nicht sogar weniger, dann aber auf mehr als eine verlängert wurden. Dies war zu oft, zu viel des Guten. Grundsätzlich war das Buch stellenweise zu sehr in die Länge gezogen. Dialoge wiederholten sich gefühlt, Emotionen immer wieder neu durchgekaut.

Und hier sind wir bei dem, was das Buch mehr ausmacht als eine Jagd nach den Figuren und deren Herkunft. Die Geschichte zweiter Brüder. Zweier Brüder die nicht unterschiedlicher sein könnten. Rob der erfolgreiche der auf Menschen zugehen können muss in seinem Beruf, Charley der Introvertierte. Der eine der Entscheidungen trifft, der andere der versucht sie vermeiden. Aussprache gegen Totschweigen. In der Vergangenheit, gerade in der Kindheit von Charley ist viel falsch gelaufen, dies wird in der Zeit der Hektik und der Gefahr aufgearbeitet und ist stellenweise mehr im Mittelpunkt als die Geschichte der herbeigelesenen Figuren aus Büchern.

Für mich war daher der Mittelweg zwischen der Spannung und den Emotionen, zu stark auf den aufzuarbeitenden Problemen der Brüder gelegt. Interessant war es, wie Rob versuchte herauszufinden, was mit Charley als Kind passierte. Denn so ganz kann er nicht glauben das er sein Bruder ist, zu unterschiedlich sind die beiden. Aber wer kennt das nicht? Nicht alle Geschwister wirken, als wären sie von der gleichen Mutter. Und so ist die Story halb, die Rettung der Welt und halb die Rettung der Beziehung der Brüder.

Leider war für mich beides nicht wirklich gut ausgearbeitet und so gut wie mir der Einstieg gefallen hat, so schwerer wurde es von der Mitte an für mich. Zu lange Kapitel mit zu langem Kaugummiartigen Gesprächen und Verläufen.

Wer ein Buch sucht, wo die Klassiker im Vordergrund stehen und die familiären Probleme, der ist hier genau richtig. Für mich war es einfach zu träge und leider dann auch ab der Mitte zu langweilig am werden. ES ist kein schlechtes Buch, aber es muss der richtige Leser dafür da sein, und das bin ich leider nicht gewesen.