Rezension

Handbuch der Familientragödien

Der japanische Liebhaber - Isabel Allende

Der japanische Liebhaber
von Isabel Allende

Das Buch „Der japanische Liebhaber“ war für mich der letzter Versuch, Isabel Allende für mich zu entdecken. Ich habe schon mehrmals von ihr und ihren Werken gehört und versucht, einige von diesen Büchern anfangen zu lesen. Allerdings musste ich immer wieder aufhören - keiner von den Romanen konnte mich in seinem Bann halten. Nun kam das neue Buch und ich dachte mir: Vielleicht kann ich damit die Autorin für mich doch noch erschließen.

 

Den Inhalt des Buches, zusammengefasst im Klappentext, fand ich sehr interessant. Aber als ich anfing zu lesen, hatte ich schon wieder ein Problem mit dem Text, wie bei allen anderen Büchern von Isabel Allende. Jeder Satz scheint überfüllt mit Informationen zu sein, sodass man nach einer Seite so viel erfährt, dass man erstmal ein bisschen Zeit braucht, um diese Informationen zu verarbeiten. Mein ganz subjektives Gefühl. So waren die ersten Seiten für mich ziemlich schwer. In einer Buchhandlung hätte das Buch wohl nach einigen Absätzen zurück ins Regal gestellt. Aber diesmal zwang ich mich weiter zu lesen. Und das war gut so. Denn die Geschichten, die im Buch beschrieben sind, sind sehr interessant.

 

Man lernt mindestens 10 Charaktere kennen, Lebensgeschichte von jedem Einzelnen in Details (ich dachte mir: Soll der Leser wirklich so viel Informationen bekommen?). Jede dieser Geschichten einzeln betrachtet bietet genug Stoff für einen weiteren Roman. Und das war der Punkt, der mich ein wenig gestört hat: Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass die Autorin versucht hatte, alle möglichen tragischen Geschichten in einem Buch zusammenzufassen, die man sich nur erdenken kann. So geht es um den zweiten Weltkrieg, in dem eine Figur stirbt und noch eine als verstorben angenommen wird, aber tatsächlich noch lebt, allerdings ohne Erinnerungen an das bisherige Leben. Es geht um die schreckliche Verfolgung der Juden in Europa (v.a. Polen), infolge deren die Eltern der Hauptfigur Alma sterben. Es geht um Deportationen der Japaner in den USA am Beispiel der Familie Fukuda (von den KZ für Japaner wusste ich bisher nichts – danke der Autorin!). Es geht um unmögliche Lieben und andere persönliche Katastrophen. Die Mutter einer der Hauptfiguren (von Irina) begibt sich aus Polen in den Westen auf der Suche nach besserem Leben, lässt ihre kleine Tochter bei den Großeltern und landet selbst in den Händen eines Zuhälters in der Türkei, wo sie jahrelang täglich von Unmengen von Männern benutzt wird. Später flieht sie und geht mit einem Amerikaner in die USA, holt ihre Tochter aus Polen und zerstört dadurch noch ein Leben. Denn der Stiefvater entpuppt sich als ein Pädophil, der die 9-jährige Irina ebenfalls jahrelang vergewaltigt und Bilder und Videos im Internet veröffentlicht. Weitere Tragödien finden in der Familie Belasco statt. So stirbt der Mann von Alma an AIDS (das erfährt der Leser zu Ende des Buches, genauso wie dass er schwul war – da hatte ich gleich Schmunzeln im Gesicht: ein Schwuler muss unbedingt an AIDS sterben, schon wieder diese Stereotypen!). Der Liebhaber dieses Mannes stirbt später an einem Tumor. Und selbst ein Kater muss eingeschläfert werden, weil bei ihm ebenfalls ein Tumor entdeckt wurde. Das sind nur einige Tragödien, mit denen das Buch vollgestopft ist. Wie gesagt: Für mich war das ein bisschen zu viel. Ich fand so eine Konstellation der Tragödien in 3 Familien wenig realistisch, obwohl jede einzelne Lebensgeschichte glaubwürdigt ist.
 

An den Schreibstil der Autorin konnte ich mich nach den ersten 20-30 Seiten gewöhnen und  fand das Buch insgesamt schön.