Rezension

Hemmungslose Gier

Kreuzberg Blues -

Kreuzberg Blues
von Wolfgang Schorlau

Bewertet mit 4 Sternen

Buchmeinung zu Wolfgang Schorlau – Kreuzberg Blues

„Kreuzberg Blues“ ist ein Kriminalroman von Wolfgang Schorlau, der 2020 bei Kiepenheuer&Witsch erschienen ist.

Zum Autor:
Wolfgang Schorlau lebt und arbeitet als freier Autor in Stuttgart. Neben den neun »Dengler«-Krimis »Die blaue Liste«, »Das dunkle Schweigen«, »Fremde Wasser«, »Brennende Kälte«, »Das München-Komplott«, »Die letzte Flucht«, »Am zwölften Tag«, »Die schützende Hand« und »Der große Plan« hat er die Romane »Sommer am Bosporus« und »Rebellen« veröffentlicht. 2006 wurde er mit dem Deutschen Krimipreis, 2012 und 2014 mit dem Stuttgarter Krimipreis sowie 2019 mit dem Stuttgarter Ebner Stolz Wirtschaftskrimipreis ausgezeichnet.

Klappentext:
Denglers zehnter Fall führt ins Herz des gegenwärtigen Kampfs um das Recht auf Wohnen.

Georg Dengler fühlt sich in Stuttgart so wohl wie schon lange nicht mehr, und auch mit Olga läuft es besser denn je. Trotz der aufziehenden Corona-Pandemie lässt er sich von ihr überreden, in Berlin zu ermitteln. Der Immobilienhai Sebastian Kröger scheint seine Mieter mit kriminellen Methoden rauszuekeln. Doch Dengler muss erkennen, dass die Sache größer ist, viel größer. Das gibt es nirgendwo sonst auf der Welt: In einem Radius von wenigen hundert Metern vereinen sich in Kreuzberg Plattenbauten, schicke Townhouses, die türkische Community und der Schwarze Block. Ausgerechnet hier will der Bauunternehmer Kröger zwei Häuser »entmieten«, den danebenstehenden Kindergarten abreißen und ein neues Townhouse bauen. Dazu ist ihm jedes Mittel recht. Die Mieter*innen wehren sich. Eine von ihnen bittet ihre Freundin Olga um Hilfe. Plötzlich stehen sie und Georg Dengler mitten im modernen Berliner Häuserkampf um das Recht auf Wohnen. Dann fällt ein Spekulant vom Dach eines der umkämpften Häuser – und die Lage eskaliert.

Meine Meinung:
Auch dies ist wieder ein hochpolitischer Roman von Wolfgang Schorlau, der die Gier finanzstarker Unternehmen thematisiert, die Wohneigentum als Spekulationsobjekt entdeckt haben. Ermöglicht wurde dies aber erst durch die Verkäufe öffentlichen Wohneigentums an Firmen zu unglaublich niedrigen Preisen und fast ohne Mieterschutz. Privatermittler Georg Dengler gerät über eine Bekannte seiner Partnerin Olga an einen besonders abscheulichen Fall einer Entmietungsaktion. Eine aggressive Ratte hat sich in das Gesicht eines Kleinkindes verbissen. Bald stellt sich heraus, dass die Dinge komplizierter sind als es auf den ersten Blick scheint. Dengler und Olga beißen sich in den Fall hinein und gehen hohes Risiko. Die Ermittler wirken sympathisch und kompetent.

Der Fall ist komplex und der Autor nimmt sich die Zeit, Mechanismen in diesem Umfeld zu zeigen. Einige Täter sind auch Opfer und man glaubt ihnen, dass sie es so nicht gewollt haben. Es gibt aber auch rücksichtslose Figuren, die ohne Hemmungen alles für mehr Geld, mehr Ansehen oder mehr Macht tun. Gelungen ist die Figur des auf dem Balkon rauchenden Rentners, der trotz seiner Hustenanfälle die Geschehnisse aus der Vogelperspektive beobachtet. Er dient als umfassender Informationsquell für Dengler. Ein weiteres Thema wird mit der Organisation Fuhrmann angestoßen, die ein Sammlungsbecken rechter Kräfte in staatlichen Funktionen unterhält. Die Dinge entwickeln sich und führen zu einem ansehnlichen Finale. Doch leider sattelt der Autor einen Abschnitt über Corona, Impfgegner und freiheitsliebende Menschen, die für machtpolitische Zwecke missbraucht werden, obendrauf. Für mich wirkte es aber nur wie ein Fremdkörper.

Das Ende des Buches ist tieftraurig und zeigt ein Deutschland im Würgegriff radikaler Kräfte. Jeder ist aufgefordert, daran etwas zu ändern.

Fazit:
Der Autor hält bei aller politischen Brisanz auch die Spannung hoch. Der aufgesattelte Abschnitt über Corona und die Auswirkungen passt da nicht hinein und kostet einen Stern. Deshalb vergebe ich diesmal nur vier von fünf Sternen (80 von 100 Punkten), spreche aber eine klare Leseempfehlung aus. Es lohnt sich.