Rezension

Hinter der Fassade

Die Tochter des Doktor Moreau -

Die Tochter des Doktor Moreau
von Silvia Moreno-Garcia

Der Roman ‚Die Tochter des Doktor Moreau‘ von Silvia Moreno-Garcia spielt in den 1870er Jahren auf der mexikanischen Halbinsel Yaxaktun. Dort lebt Dr. Moreau mit seiner Tochter, einigen wenigen Angestellten und „Patienten“ weit abgeschieden von dem Rest der Menschheit und betreibt offiziell ein Sanatorium, in dem über Tuberkulose geforscht wird. Das eigentliche Forschungsziel unter diesem Deckmantel kennen nur wenige Personen, so auch der Besitzer der Halbinsel und Mäzen des Doktors, Hernando Lizalde, der sich großen Nutzen von den Ergebnissen verspricht. Als er erkennt, dass die Forschungen nicht vorankommen, droht er damit, Dr. Moreau die Finanzierung und den Forschungsort zu entziehen. Sowohl Dr. Moreau, als auch fast alle anderen Bewohner der Anlage haben kein Interesse oder eher Angst davor, diesen Ort verlassen zu müssen, denn hier gibt es einiges, was besser verborgen bliebe und was woanders nur schwer ein neues Zuhause finden würde. Doch die unerwartete Ankunft von Eduardo Lizalde, dem Sohn des Inselbesitzers, der sich auf den ersten Blick in die Tochter Dr. Moreaus verliebt und schnell beteuert, alles für sie tun zu wollen, scheint die Lage noch einmal zum Positiven für die ‚Sanatoriumsbewohner‘ zu wenden. Als Eduardo Lizalde aber das wahre Forschungsprojekt entdeckt, eskaliert die Situation endgültig.

Meiner Meinung nach ist der Autorin mit diesem Roman ein guter Mix verschiedener Genres gelungen, indem sie historische Science-Fiction mit einer ordentlichen Portion Liebesroman und einem mehr oder minder latenten Grusel vereint. Der Schreibstil gefällt mir ausgesprochen gut, er liest sich flüssig und obwohl die Handlung größtenteils nicht sehr actionreich voranschreitet, entsteht keine Langatmigkeit. Die Ruhe und scheinbare Selbstverständlichkeit, mit der auch recht gruselige Sachverhalte beschrieben werden, hält die Neugierde hoch und weckt, zumindest bei mir, den Wunsch, immer weiter zu lesen.

Hinzu kommt, dass die einzelnen Charaktere sehr balanciert ausgearbeitet wurden. Es wird jeweils nicht zu viel oder zu wenig beschrieben. So kann sich der Leser die solide dreidimensional dargestellten Figuren gut vor seinem inneren Auge erscheinen lassen, ohne bis ins letzte (für die Story unwichtige) Detail festgelegt worden zu sein. Spannend ist auch, dass viele verschiedene Grundhaltungen bei den Akteuren dargestellt werden und so eine interessante Themenmischung durch das Aufeinandertreffen der einzelnen Personen entsteht. Insgesamt geht es so nicht nur um (wahnsinnige) Forschung und um Liebe, sondern auch um Freundschaft, Hilfsbereitschaft, Einsamkeit, Religion, soziale Stellung, soziales Gefüge und vieles mehr.

Abschließend kann ich für mich feststellen, dass es sich bei dem Roman um ein sehr gutes Buch handelt, das sich nicht in die gängigen Schubladen einordnen lässt und so ein erfreulich neues und angenehmes Lesevergnügen bereitet.