Rezension

Interessante Biografie einer starken, ein Zeitalter prägenden Frau

Queen Victoria - Julia Baird

Queen Victoria
von Julia Baird

Bewertet mit 5 Sternen

Beim Namen Queen Victoria hat man meist das Bild einer dicklichen Matrone vor Augen und weiß, dass sie einem ganzen Zeitalter den Namen gab, dem viktorianischen. Aber auch sie war einmal ein Kind, eine junge Frau, ein Mensch mit Träumen und Sehnsüchten, eine liebende Ehefrau und Familienmutter.

Das alles rollt die Autorin in ihrer akribisch recherchierten Biografie auf und zeichnet ein allumfassendes Porträt der Monarchin, die es nicht immer leicht hatte. Auch das politische und gesellschaftliche Umfeld, das von ihrem Leben nicht zu trennen ist, wird ausführlich beschrieben und das alles, ohne langweilig zu wirken. Es war die Zeit von Dickens, europäischen Unruhen und Verwerfungen, dem Krimkrieg, der irischen Hungersnöte und der beginnenden Industrialisierung.

Queen Victoria hat jeden Tag Aufzeichnungen vorgenommen; sie hat ihr ganzes Leben, ihre Gefühle und Gespräche aufgezeichnet. Es gibt umfangreiche Archive mit Materialien. Doch die Autorin des Buches erwähnt mehrfach, welche Schwierigkeiten sie hatte, ein möglichst wahrhaftiges Bild der Königin zu zeichnen. Zwar hatte sie Zugang zu den königlichen Archiven, aber am Ende wurde von ihr verlangt, nicht nur die Veröffentlichung dieser Textteile genehmigen zu lassen, sondern auch die von anderen autorisierte Texte zurückzuziehen, was sie zum Glück nicht getan hat.

Sie betont mehrfach, welche Legendenbildungen, Übertreibungen und Vertuschungen stattgefunden haben, aus politischen Gründen, z.B. um niemanden zu brüskieren, aber auch aus privaten, um ein makelloses Bild der Herrscherin zu zeichnen, bei dem z.B. der schottische Diener Brown keine Rolle spielen durfte.

"… wie schwierig es ist, das Denken und Fühlen einer Herrscherin zu erfassen, deren Worte bearbeitet, umgeschrieben, gestrichen, verborgen und vernichtet wurden." (13)

Trotz dieser widrigen Umstände hat die Autorin eine großartige Arbeit geleistet und sich so eng an die Wahrheit gehalten, wie ihr Material es erlaubte. Die zitierten Texte sind in einem Anhang akribisch belegt und eine ausführliche Bibliographie nennt die Quellen ebenso wie weiterführende Literatur. Sehr geholfen hat die genealogische Tafel ganz vorne, die ich ohne langes Blättern ständig zu Rate ziehen konnte. Aus ihr ist übrigens auch ersichtlich, dass Victoria Überträgerin der Bluterkrankheit war und wie diese durch Heiraten und Vererbung in europäische und russische Herrscherhäuser gelangte. Abgerundet wird das Ganze durch Schwarz-Weiß-Fotos und Gemälde von Victoria, ihrem Ehemann Albert, den Kindern und anderen wichtigen Personen.

Wer sich für Biografien interessiert, dem kann diese nur empfohlen werden. Sie wirft ein erhellendes Licht auf ein ganzes Zeitalter und das in lesbarer und kurzweiliger Art.