Rezension

Interessantes Gedankenspiel zu Flucht und Migration

Der Platz an der Sonne - Christian Torkler

Der Platz an der Sonne
von Christian Torkler

~~Inhalt
Berlin, die Hauptstadt der Preußischen Republik, liegt 1978 noch in Trümmern. Hier lebt auch Josua Brenner, der schon als Kind gelernt hat auf eigenen Beinen zu stehen und sich sowie seine Familie mit kleineren Geschäften gut über Wasser hält. Doch als er alles was ihm wichtig ist nach und nach verliert, bricht er auf in den Süden. Wie so viele andere, sucht auch er dort ein besseres Leben - im wohlhabenden Afrika.

Meine Meinung
Christian Torkler unternimmt mit seinem Roman-Debüt ein interessantes Gedankenspiel zu den Themen Flucht und Migration. Hier ist mal nicht Deutschland das reiche Land, das Flüchtlinge aufnimmt und mit großen Parolen sagt „das schaffen wir“. Torkler dreht den Spies um und skizziert ein Bild eines Deutschland, dessen Geldgeber Afrika ist und das nichts mit dem Deutschland zu tun hat, in dem wir Leben und das wir kennen.

„Der Platz an der Sonne“ ist in zwei Handlungsstränge unterteilt. In dem ersten wird das Leben von Josua Brenner beleuchtet. Als Kind spielt er in den Trümmern. Später verdingt er sich als Parkplatzwärter, als Taxifahrer und als Gastronom. Er gründet eine Familie und auch wenn ihm viele Hürden in den Weg gelegt werden, gibt er dennoch nie auf seine Ziele zu verwirklichen. Doch dann geht nach dem Tod des Sohnes seine Ehe in die Brüche und seine Bar wird abgefackelt, sodass Josua nur noch weg und in das wohlhabende Afrika fliehen möchte.

In dem zweiten Handlungsstrang beleuchtet Torkler die über ein Jahr lang dauernde Odysee, der sich Josua bei seiner Flucht aussetzt.  Auf dieser kommen viele, die ihn begleiten, ums Leben. Auf dieser setzt er alles auf eine Karte und unternimmt eine Reise ins Ungewisse, da er die Hoffnung hat, in dem entfernten Afrika endlich ein Stück vom Glück abzubekommen. Egal, wie gefährlich der Weg auch sein mag.

Auf den ersten Seiten hatte ich Probleme mich in der Geschichte einzufinden. Zu weit weg war das Deutschland in dem ich lebe von dem Deutschland in dem Buch. Einzige Informationsquelle ist das Radio, Behördengänge sind noch schwieriger, als sie es ohnehin schon sind. Perspektivlosigkeit, Hoffnungslosigkeit und ein immerwährender Kampf bestimmen den Alltag. Der kleine Mann wird weiter klein gehalten und die Reichen machen sich die Taschen voll. Parteien begehen Wahlbetrug, wechseln sich an der Spitze ab – aber alles zu ihrem eigenen Wohl und nicht etwa zu dem Wohl des Wählers, für den sich nichts ändert. Dass man da an Flucht denkt – wer kann es den Menschen verübeln?

Besonders eindrucksvoll ist die Flucht geschildert, die es dem Flüchtling alles andere als einfach macht. Wenn er Schikanen und Gefahren überlebt, ist er jedoch noch lange nicht im für ihn „Gelobten Land“ angekommen und kann sich nun glücklich schätzen es geschafft zu haben. Nein, so leicht macht es das Leben manchen nicht und sie werden wieder zurückgeschickt in all das, was sie doch hinter sich lassen wollten oder auch dafür angefeindet, dass sie hier sind und wir es halt nicht einfach so „schaffen“. 

Hat Christian Torkler meine Meinung zur Flüchtlingspolitik geändert? Nein. Aber er hat mir nochmal vergegenwärtigt, dass wohl nur die wenigsten einfach so ihr Heim verlassen. Nein, es gibt bei den meisten einen guten Grund dafür, dass sie sich auf einen beschwerlichen Weg machen. Daher ist „Der Platz an der Sonne“ ein wichtiges Buch. Es ist nicht perfekt, es hat sogar einige Längen, die mir zum Teil das Lesen erschwert haben – aber es schafft ein neues Verständnis für all jene, die aus Krieg, Folter und unmenschlichen Lebensbedingungen ihr Land verlassen, um ein kleines Stück vom Glück auch für sich zu erhaschen.

Fazit
„Der Platz an der Sonne“ ist eine hochaktuelle „was-wäre-wenn-Geschichte“, die berührt, nachhallt und nachdenklich macht. Eine straffere Erzählart hätte dem fast 600 Seiten Wälzer allerdings gut getan. Dennoch vergebe ich gerne 4 Sterne.