Rezension

Verkehrte Welt(-geschichte). Grandiose Idee!

Der Platz an der Sonne - Christian Torkler

Der Platz an der Sonne
von Christian Torkler

Christian Torkler bedient sich in seinem Roman "Der Platz an der Sonne" eines gewieften Tricks, er verändert "eine Kleinigkeit" in der Weltgeschichte, um Nord und Süd zu vertauschen. Aber von vorn: Josua Brenner, der Protagonist und Ich-Erzähler des Romans beschreibt in Notizheften seine Lebensgeschichte bis zu zum Punkt, an dem der Roman startet, nämlich hinter Gittern. Die - ziemlich genau - erste Hälfte des Romans spielt dabei in Berlin, welches, wie das restliche Europa durch einen dritten Weltkrieg, welcher bis 1961 anhielt, vollkommen zerbombt und rückständig geblieben ist. Die Länder Afrikas sind allerdings ungeschoren aus der Sache herausgegangen und bilden mittlerweile als Union die erste Welt, wohingegen Europa der dritten Welt zugeordnet werden könnte. Nach vielen Schiksalsschlägen macht sich Brenner in der zweiten Hälfte des Romans auf den Weg in eine bessere Zukunft... auf dem Kontinent Afrika.

Durch detailierte (manchmal erschöpfende) Schilderungen des durchaus nicht leichten Lebens in Berlin, entsteht beim Leser eine große Empathie für den Protagonisten und seine Entscheidung, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen, oder vielmehr die Füße in die Hand. So fiebert man im zweiten Teil im Rahmen der schrecklichen Fluchtgeschichte von Brenner richtiggehend mit und es entsteht ein großes Mitgefühl und Verständnis nicht nur für Brenner, sondern generell für Flüchtlinge, die sich dafür entscheiden ihre Heimat zu verlassen und auf eine entbehrungsreiche und gefährliche Reise zu begeben. Besonders in den Erlebnissen des Protagonisten in den deutschen Staaten (es gibt nicht das "Deutschland" mehr) erinnert die Fluchtgeschichte an Boschwitz' "Der Reisende" und macht eins klar: Egal aus welchen Gründen sich jemand gezwungen fühlt zu flüchten, einfach wird es nie und er ist der Gunst von anderen Menschen überlassen aber auch deren Willkür.

Torkler bedient sich damit eines grandiosen Tricks, um Leser des Romans durch eine alternative Realität die aktuelle Situation von Hilfe suchenden Flüchtlingen näher zu bringen und Verständnis zu wecken. Auch wenn das Buch mit seinen fast 600 Seiten durchaus Längen hat, so sind diese unverzichtbar, um den zähen Kampf um ein besseres Leben darzulegen. Ein sehr empfehlenswertes Buch.