Rezension

Krieg und Liebe

Mohnschwestern - Ilona Einwohlt

Mohnschwestern
von Ilona Einwohlt

Bewertet mit 4 Sternen

1943 Darmstadt mitten im Zweiten Weltkrieg. Die 20-jährige Lehramtsstudentin Lotte ist Hals über Kopf in den smarten Wilhelm verliebt, mit dem sie sich immer nur klammheimlich in einer kleinen Kammer im Keller unter dem Haus treffen kann, um einige Zeit von der Außenwelt ungestört zu sein. Eines Nachts hagelt wieder einmal ein schlimmer Bombenregen über die Stadt und setzt sie in Brand, während Lotte gerade das Wiedersehen mit Wilhelm genießt. Wilhelm hilft ihr aus dem brandigen Gefängnis heraus und flieht mit ihr durch die Stadt. Unterwegs verlieren sich die beiden, Lotte versteckt sich vor den Flammen in einem Brunnen retten und hat als einzige Erinnerung an Wilhelm ein Mohnblumenbild gerettet, das in ihrer Kellerkammer an der Wand hing. Wird es jemals ein Wiedersehen zwischen Lotte und Wilhelm geben?

Ilona Einwohlt hat mit „Mohnschwestern“ einen sehr eindringlichen und anrührenden Roman vorgelegt, der vor allem mit dem historischen Handlungsteil sehr überzeugt. Der flüssige, fesselnde und berührende Erzählstil zieht den Leser von Anfang an in den Bann und lässt ihn schnell in die Geschichte eintauchen, wo sich ihm zwei abwechselnde Handlungsstränge bieten. Der eine findet in der Vergangenheit statt und lässt den Zweiten Weltkrieg wieder aufleben. Unsichtbar an der Seite der jungen Lotte erlebt der Leser nicht nur sehr plastisch das Grauen des Krieges in Form von Judenverfolgung und ihren Auswirkungen, dem Verstecken von Freunden und Nachbarn und von der Denunzierung durch regimeanhängenden Nachbarn, sondern darf auch deren Gefühls- und Gedankenwelt eintauchen. Der zweite Handlungsstrang spiegelt die Gegenwart um Hazel wieder, die von dem Mohnblumenbild fasziniert ist, welches sie bei der alten Mathilda entdeckt. Diese Ebene ist leider weit weniger faszinierend als die vergangene und dient wohl eher der Auflockerung und Entspannung von den doch sehr dramatisch und realistisch wiedergegebenen Kriegsereignissen. Doch die wechselnden Perspektiven schaffen eine sich immer weiter in die Höhe schraubende Spannung, bei der man atemlos darauf wartet, was am Ende mit Lotte passieren wird. Während der Leser mit Lotte regelrecht verschmilzt und sich ihr nahe fühlt, bleibt Hazel mit ihrer eigenen Geschichte auf Abstand und fast bedeutungslos.

Die Charaktere wurden lebendig in Szene gesetzt und überzeugen durch authentische Eigenschaften, die sie menschlich und verletzlich wirken lassen. Der Leser fühlt sich den meisten von ihnen verbunden und verfolgt mit Anteilnahme ihren Weg. Lotte ist eine außergewöhnliche von ihrer Zeit geprägte junge Frau. Sie besitzt Mut, Stärke und vor allem ein großes Herz. Sie kümmert sich um ihre Familie, aber auch um Freunde und Nachbarn. Blockwart Else ist eine furchteinflößende Frau, die dies zu ihrem Vorteil nutzt. Während Lottes jüdische Freundin Ruth spurlos verschwindet, verfällt ihre andere Freundin Hedwig zu Lottes Entsetzen den Naziparolen. Bruder Fritz lebt mit seiner Ablehnung gegen das Regime gefährlich. Aber auch Wilhelm, Otto, Mathilda und Hazel haben ihren Part in dieser komplexen Geschichte, wobei letztere eher farblos bleibt und nicht überzeugen kann.

„Mohnschwestern“ ist ein fesselnder und berührender Roman, der den Zweiten Weltkrieg wieder lebendig werden lässt. Eine starke Protagonistin, der man als Leser gerne folgt sowie die tiefgründige Erzählweise der Autorin wissen zu überzeugen. Verdiente Leseempfehlung!