Rezension

Liebe mit Verfallsdatum!?

Wir sehen uns am Meer - Dorit Rabinyan

Wir sehen uns am Meer
von Dorit Rabinyan

Bewertet mit 4 Sternen

Die Israelin Liat lernt während eines Aufenthalts in New York zufällig den Palästinenser Chilmi kennen und lieben. Doch ihre Liebe ist unmöglich. Liat wird wieder nach Tel Aviv, zu ihrer Familie, ihren Freunden und ihrem "normalen" Leben gehen (müssen) und in Israel haben die Jüdin und der Araber keine Chance auf eine gemeinsame Zukunft.  Ihre Liebe hat ein Verfallsdatum, wie ein Karton Cornflakes, doch gibt es vielleicht doch eine Chance für die beiden? Oder kann man Liebe einfach nach Belieben "ausschalten", weil kulturelle und politische Zwänge ihre Wirkung entfalten?

Die Geschichte beginnt sehr spannend und ziemlich überraschend. Mit einem Schrecken kommt unsere Protagonistin davon, doch dann spielt der Zufall ihr den jungen Chilmi zu. Sofort können die beiden nicht mehr voneinander lassen, obwohl sie wissen, dass eine Beziehung keine Zukunft hat. Sie lieben sich innig, trotz unterschiedlicher Auffassungen des Konflikts in ihrer Heimat. Liat, die Erzählerin, schloss ich direkt in mein Herz, auch wenn ich zwischendurch immer wieder bei ihren Argumenten pro Israel den Kopf schütteln musste oder ihren Umgang mit ihrem Freund fragwürdig fand. Jedoch zeigte  sich schnell, dass diese "Aussetzer" auf Unsicherheit und innere Zerrissenheit fußten, die Liat nicht ablegen konnte, so sehr sie sich auch bemühte. Chilmi hingegen, obwohl er aus meiner Sicht die besseren Argumente in Hinblick auf den politischen Konflikt hatte und deutlich liberaler eingestellt war, blieb mir über weite Strecken verhältnismäßig  fremd. Verständnis für seine Reaktionen hatte ich durchaus, aber keinen richtigen Zugang. Keine Ahnung, ob es vielleicht daran liegen könnte, dass beide im Schatten ihrer jeweiligen Kultur stehen und für diese gegeneinander ankämpfen bei aller Liebe?! Die meiste Zeit fieberte ich mit den beiden mit, hoffte auf eine Art positives Ende und trotzdem, vor allem gegen Ende, könnte mich die Geschichte nicht mehr so ganz packen. Das Paar hat seine Konflikte - klar in der Situation, aber zwischendurch war es doch etwas zu viel Alltag, der da bis ins letzte Detail beschrieben wurde und mich etwas langweilte. Zu nennen ist hier beispielsweise die Veränderung des jungen Künstlers, die bis ins Detail ausgestaltet wird, jedoch die "Rückverwandlung" keinen Platz findet.

Positiv ist, dass man sehr viel über den Konflikt erfährt, sich die Situation besser vorstellen kann. Es sind Schicksale, wie das beiden ungleichen Liebenden , die durch die Mauern in den Köpfen und vor Ort, wohl häufiger vorkommen, aber verdeckt bleiben. Die Autorin scheint für mehr Toleranz und Akzeptanz zu werben - umso schlimmer, dass das Buch aus der Literaturliste der Oberstufe gestrichen wurde.

Letztlich bin ich nach der Lektüre zerrissen, wie die Protagonisten im Buch. Wer sich für die Thematik interessiert, wird begeistert sein, aber wer sich weniger für den Konflikt interessiert, könnte sich doch recht schnell langweilen. Da ich zur ersten Kategorie gehöre, erhält das Buch von mir 4 Sterne.