Rezension

Leise Töne. Handlungsarm.

Wir sehen uns am Meer - Dorit Rabinyan

Wir sehen uns am Meer
von Dorit Rabinyan

Bewertet mit 2 Sternen

Dieser Roman über die Problematik Israel/Palästina hat m.E. nicht gehalten, was er versprochen hat. Er war mir zu konstruiert und zu flach.

Israelitin Liat trifft in New York auf Araber Chilmi: eine Liebesgeschichte mit vorprogrammierten Komplikationen. Was habe ich mir von diesem Buch nicht alles versprochen, tiefgründige Konflikte, leidenschaftliches Aufbegehren gegen Konventionen, Einblicke in fremde Mentalitäten, Details zu den Herkunftsländern der Progatonisten, deren Politik, deren Denken, deren Fühlen, deren Geschichte. Nichts davon habe ich bekommen. "Wir sehen uns am Meer" ist ein Roman des überaus leisen, fatalistischen Tons.

Wenn man sich daran gewöhnt hat, an den Ton, an den Stil, finden sich schöne Passagen, Nachdenkliches, Sanftes, liebliche Landschaftsbeschreibungen.

Doch wenn es sich nicht gerade um ein palästinensisch/israelisches Paar handeln würde, wäre die Geschichte von Liat und Chilmi mehr als blass. Ausser der bereits vorhandenen Erkenntnis, dass beide Seiten, Israelis wie Araber ein tief sitzendes Ressentiment gegeneinander haben und sich selbst im Ausland nicht davon frei machen können, falls sie dort aufeinandertreffen, beschert dieser Roman wenig, was in irgendeiner Weise wesentlich wäre.

Liat wagt nicht, ihren Eltern oder Freunden von Chilmi zu erzählen, daran entzünden sich zwar kurze Konfliktfetzen, eine entscheidende Auseinandersetzung findet jedoch nicht statt. Im den ersten zwei Teilen des Buches geschieht sozusagen nichts, man geht essen, spazieren, schläft miteinander, geht essen, spazieren und versucht, Heikles nicht zu erwähnen bzw. es wird Liat, der Erzählerin bewusst, was alles heikel ist: alles!

Doch der Ton bleibt immer leise, fatalistisch, ein wenig dumpf sogar.

Was die beiden Liebenden aneinander binden sollte, habe ich nicht begriffen, denn Chilmi bringt eigentlich nichts mit, was eine Partnerschaft auf Augenhöhe ermöglichen würde, er ist notorisch unpünktlich, sein Haushalt ist ein Saustall, er kifft, lebt in den Tag hinein und hat keine Ziele. Er ist depressiv und heult rum, ein labiler Typ, der nichts hat ausser schönen Augen und ein bisschen Charme. Und Träume. Die zielstrebige Studentin Liat lässt sich in diesen Strudel der Hoffnungs- und Zukunftslosigkeit hineinziehen.

Diese Liebesgeschichte ist sowohl passiv wie handlungsarm. Die Protagonisten sind ängstliche Kaninchen, die großäugig vor der Schlange sitzen und darauf warten, gefressen zu werden.

Fazit: Die Fatalismus widerspiegelnde Handlungsarmut dieses Romans macht ihn trotz des schönen Stils einfach nur langweilig.

Kategorie: Anspruchsvolle Literatur
Verlag: Kiepenheuer & Witsch, 2016

Kommentare

Steve Kaminski kommentierte am 12. August 2016 um 13:35

Klingt so, als müsse man das nicht lesen - wieder eine aussagekräftige Rezension von Dir!