Rezension

Rastloses Geisterspektakel

Heaven's End - Wen die Geister lieben - Kim Kestner

Heaven's End - Wen die Geister lieben
von Kim Kestner

Bewertet mit 4 Sternen

Ein bisschen „Gespenst von Canterville“, ein Hauch „Evermore“, eine Messerspitze „Harry Potter“ und ein Prise „Twilight“ – das Rezept funktioniert: „Heaven's End“ ist ein rastloses, facettenreiches Übersinnlichkeits-Spektakel, das 460 Seiten sehr guter Unterhaltung bietet, dafür aber viel Konzentration beim Lesen fordert.

Es geht um Josephine, die Geister sehen kann. Erstmal nur die ihrer verstorbenen Verwandtschaft, aber es kommen noch andere dazu. Was nicht weiter verwunderlich ist, lebt sie doch in Schottland, wo das Übernatürliche in gewisser Weise zum Kulturgut gehört und unter anderem für den Tourismus eine unterstützende Rolle spielt.

Josephine ist eine etwas burschikose 15-Jährige, ungestüm und trotzig, die gegen alles rebelliert, was sie nicht gut findet. Damit fliegt ihr nicht gleich jedes Leserherz zu, und tatsächlich schafft es die Geschichte trotz Ich-Erzählerin nicht, eine unwiderstehliche Verbindung aufzubauen. Doch die Fülle der Ereignisse reißt vieles wieder heraus. Bald erkennt Jojo, dass sie es über kurz oder lang mit dem größten Hexenmeister aller Zeiten aufnehmen muss: Magmartes Throckmorton, der es geschafft hat, aus den magischen Gefängnissen zu entkommen, in die ihn todesmutige Zeitgenossen im 16. Jahrhundert vermeintlich auf ewig verbannt haben.

Eine Protagonistin mit besonderen Fähigkeiten, gespensternde Verwandte, die unvermeidlichen Schulfehden, ein Klischee-Schwuler als bester Freund, eine Dorfkneipe, in der es spukt, das große Familiengeheimnis, Beschwörungen der Vergangenheit, ein jahrhundertealter Fluch, bedrohliche Elfen, dazu noch die Standesprobleme, die Jojos Beziehung zu einem hinreißenden jungen Earl verursacht – das ist vielleicht alles ein bisschen viel auf einmal, und tatsächlich muss man manche Seite zweimal lesen, um die zahlreichen Fäden nicht zu verlieren, die das Buch spannt. Auf der anderen Seite kann hier inhaltlich ruhig geklotzt werden, denn „Heaven's End – Wen die Geister lieben“ ist der Auftakt eines Dreiteilers. Und für die kommenden Folgen muss ja genug Material vorhanden sein.

Was klar zu klar kurz kommt, ist die umwerfend stimmungsvolle Landschaft Schottlands. Wenn das Buch schon hier spielt, hätte es wenigstens eine malerische Steilküste, einen einsamen Leuchtturm, ein bisschen windgepeitschte Heidelandschaft oder zur Not das eine oder andere Schaf für sich vereinnahmen können. Wie das geht, macht Katharina Herzog gerade mit ihrer Island-Fantasy-Romanze „Faye“ vor.

Zum Schluss ausnahmsweise ein Hinweis zum Titelbild von „Heaven's End“: Dem Verlag ist mit dem prächtig colorierten Umschlag in Jugendstil-Manier ein kolossaler Hingucker gelungen, an dem man im Laden auf keinen Fall vorbeigehen kann. Über die Wahl des Titels legen wir besser den diplomatischen Mantel des Schweigens.