Rezension

“Raus aus der engen Pappschachtel…

Die Radfahrerin -

Die Radfahrerin
von Susanna Leonard

 

„… endlich raus aus diesem Leben … In dem ich mir vorkomme wie in einem verriegelten Käfig!“

Die erst 22 Jahre alte Anna Kopchovsky fristet mit ihrem Mann Max und den drei kleinen Kindern ein ärmliches Dasein in dem jüdischen Ghetto Bostons. Zermürbt vom täglichen Überlebenskampf geht sie auf die Wette zweier Geschäftsmänner ein: sie will in einem Jahr mit dem Fahrrad um die Welt reisen  -  als Frau im Jahre 1894. Was den meisten Menschen damals ungeheuerlich schien, half der sich verstärkenden Frauenrechtsbewegung, weitere Freiheiten zu erkämpfen. Neben bequemerer Kleidung und mehr Mobilität brachte das Damenradeln vor allem größeres Selbstbewusstsein.

In ihrem lockeren, lebendigen Schreibstil schildert Susanna Leonard die strapaziöse Weltreise, welche die mutige junge Frau unter dem Namen Annie Londonderry antritt. Mit viel Einfühlungsvermögen erzählt sie von den vielen kleinen und großen Höhepunkten und Erfolgen ihres Abenteuers, aber ebenso intensiv von den zahlreichen Hindernissen, die Annie überwinden muss, und vor allem den Gewissensqualen und Schuldgefühlen ihren Kindern gegenüber. Da tatsächlich nur noch wenige Aufzeichnungen und Daten zur Person Annies existieren, versetzt sich die Autorin intensiv in Annies Situation; lässt neben historischen auch etliche erfundene Charaktere agieren. Insgesamt gelingt ihr ein eindrucksvolles Bild der gesellschaftlichen Lage gegen Ende des 19. Jahrhunderts, und sie versteht es wirklich  überzeugend, ihre Leser dorthin mitzunehmen.