Rezension

Sex und Crime im Märchenwald

Der geheime Name - Daniela Winterfeld

Der geheime Name
von Daniela Winterfeld

Eigentlich mag ich das Märchen vom Rumpelstilzchen nicht besonders. Aber ich war sehr neugierig, wie man denn auf dieser Basis ein richtig dickes Buch aufbauen kann. Wenn man dann anfängt zu lesen, ist man ziemlich schnell verblüfft.

Hier muss man sich vorstellen, ein letzter Vertreter der Sippe des „historischen“ Rumpelstilzchens, der Geheime, hätte Jahrhunderte lang hinter einem Tarnkreis verborgen im Wald überlebt, in der Lüneburger Heide, bei Walsrode. (Oh, Gott! Das ist nicht weit weg…) Der Geheime ist eine Art Gnom, der mit ganz ungewöhnlicher Magie sein Reich bewahrt und ein Ziel verfolgt: Er will ein Weibchen.
In diesen Wald gerät Fina, die von zu Hause ausgerissen ist, weil sie es satt hat, dass ihre Mutter ständig mit ihr umzieht und dass sie nie ein richtiges zu Hause hat. Und da trifft sie Mora, den Diener des Geheimen. Mora ist ein Mensch. Allerdings ist er bei dem Geheimen aufgewachsen und hat niemals die moderne Welt kennengelernt. Er wurde mehr wie ein Haustier gehalten, muss gehorchen und dienen. Ungehorsam hat blutige Konsequenzen.

An dieser Stelle bekommt die Geschichte etwas Tarzan und Jane Atmosphäre. Die Schöne, gestrandet in der Wildnis, trifft auf Naturburschen, der weiß, wie man dort überlebt, dafür aber nicht richtig sprechen kann. Man ergänzt sich , man verliebt sich. Wunderschön romantisch und abenteuerlich, aber gleichzeitig auch finster, magisch, bedrohlich. Der Geheime lauert im Hintergrund.
Später wechselt es zu Hänsel und Gretel in der hardcore Version. Junges Paar gefangen von brutalem Zauberwesen, das überlistet werden muss. Hier ist es dann verzweifelt, tragisch und blutig. Ein Wunder, dass Mora die Geschichte überlebt.

Dieses Buch ist ein ganz besonderes Erlebnis. Es holt das Märchenland in die Gegenwart und erzählt eindringlich, atmosphärisch und nachvollziehbar, was bei den Gebrüdern Grimm nur zwischen den Zeilen steht. Rumpelstizlchen hatte vielleicht Gründe, das Kind der Königin zu wollen (Fast kann er einem Leid tun.). Und die Müllerstochter geriet in seine Fänge, weil sie schnödes Gold wollte, oder?

„Spannend wie ein Thriller und phantastisch wie ein Märchen“ sagt der Klappentext und das möchte ich unterschreiben.