Rezension

Tiefsinniges Abenteuer einer Befreiung

Waraka -

Waraka
von Tobias Goldfarb

Bewertet mit 4.5 Sternen

Arkyn soll der nächste Herrscher Warakas werden. Sein Vater verschwand und der Hüter der großen Schlange, die alle Bewohner Warakas fürchten, Skarf, ist seine einzige Verbindung zur Außenwelt. Er soll ihm beibringen unter die Bevölkerung durch Angst zu regieren. Doch Arkyn wiederstrebt diese Art der Herrschaft. Zudem will er der Aufgabe nicht nachkommen, sein Seelentier, einen wehrlosen Säbelzahnjaguar, in einem unfairen Kampf zu besiegen. Daher bricht er mit diesem aus und flüchtet ohne Aussicht auf eine Zukunft in die Wälder und von dort ans Meer. Dort trifft er Saga, die als Schiffbrüchige aus dem Land der Wulfen am Strand angespült wurde. Gemeinsam machen sie sich auf, um für Gerechtigkeit und die Freiheit aller zu kämpfen.

Den Autor Tobias Goldfarb kannte ich bisher nur von seinen Kinderbüchern, vor allem den lustigen Geschichten um den Außerirdischen Fonk. Daher war ich neugierig, auch mal ein anderes Genre von ihm zu lesen. Das Titelbild und die Beschreibung des Inhalts ließ mich eine Geschichte á la "Die Jaguargöttin" erwarten. Also ein Mischung aus Abenteuer, Dschungelflair und wilden Tieren, in der es ebenfalls um die Herrschaft ging. Tatsächlich mutet das Setting ähnlich an, eine Stadt, in der eine südamerikanische Hochkultur lebt, außenherum der dichte Dschungel. Doch hier steckt eindeutig mehr dahinter. Es geht nicht nur um eine Abenteuergeschichte, das merkt man gleich. Die Menschen Warakas dienen einer Gottheit, der großen Schlange, die alle 100 Tage Menschenopfer fordert. Die Angst für dieses Opfer ausgewählt zu werden, sorgt dafür, dass die Herrschaft der Königsfamilie nicht angezweifelt wird. Doch Arkyn, der nächste Herrscher Warakas, ist von diesem System nicht überzeugt, das Skarf, der Hohepriester ihm auferlegen will. Uns so beginnt eine mutige und gefährliche Reise durch ein Land, das Arkyn gar nicht wirklich kennt.

Vom Schreibstil seiner Kindergeschichten ist Tobias Goldfarb hier meilenweit entfernt und ich war höchst erstaunt, wie wandelbar seine Erzählstimme doch ist. Arkyns Geschichte ist in Worten erzählt, die sehr gut zur Zeit und zum Setting passen, sehr hochsprachlich, fast philosophisch und mit viel Raum für eigene Gedanken, begleiten wir den Herrscher, der keiner sein will auf seiner Suche nach dem verschwundenen Vater und einer Lösung, die für alle Einwohner Warakas Freiheit ohne Angst bedeuten könnte. Saga ist in der Geschichte viel stärker, als es Arkyn ist. Ist sie zunächst wegen des Goldes, das sie in Richtung Waraka gelockt hat, mit von der Partie, wandelt sie sich im Laufe der Geschichte zu einer noch viel gefestigteren Persönlichkeit. 

In die Story fließen außerdem noch fantastische Wesen aus der alten Zeit, vermutlich aus Legenden und Mythen von Inka, Maya und Azteken ein. Sehr vieles kommt dem Leser gar nicht wirklich greifbar vor, esoterisch, ja beinahe ätherisch und nicht von dieser Welt. Es gibt zahlreiche Träume und Visionen, die unsere beiden "Helden" und ihr Handeln beeinflussen und tragen. Vieles dreht sich um die Frage, ob Angst ein Mittel der Herrschaft sein darf und wie man gegen solch eine Herrschaft vorgeht. Kann einer allein etwas tun? Oder zwei? Wie der Ungerechtigkeit ein Ende bereiten ohne Gewalt und Blutvergießen? Wie eine Zukunft in Freiheit für alle erschaffen? Der Ganze Prozess startet hier mit dem Aufbruch und Umdenken eines Einzelnen, wohin er führt, solltet ihr unbedingt selbst lesen. Bei "Waraka" handelt es sich definitiv nicht um einen normalen Abenteuerroman für Jugendliche, sondern um ein tiefsinniges Buch, das bei mir so manchen wertvollen Denkanstoß gab. Ob es bei Jugendlichen heute Anklang findet, lässt sich nur schwer sagen, doch es ist auf jeden Fall auch noch für Erwachsene lesenswert. 4,5 Sterne