Rezension

Tolle Sprache und voller Geheimnisse

Die Gestirne - Eleanor Catton

Die Gestirne
von Eleanor Catton

Bewertet mit 4.5 Sternen

Am Anfang fand ich den Schreibstil etwas gewöhnungsbedürftig. Irgendwie fand ich es recht anspruchsvoll und sperrig, sodass ich schon Angst hatte mich hochkonzentriert durch den 1000-seitigen Wälzer quälen zu müssen, damit ich der Story folgen kann. Aber das hat sich schon nach einigen Seiten gegeben. Ob der Anfang wirklich sperriger zu lesen war oder ich mich einfach super schnell an den Stil gewöhnt habe weiß ich nicht. Auf jeden Fall kann ich nur raten, sich nicht davon abschrecken zu lassen!

Die Beschreibungen der Charaktere sind sehr speziell. Vielleicht war es das was ich zu Anfang schwierig fand, da es gleich mit einer solchen Beschreibung startet. Eleanor Catton analysiert ihr Personal sehr genau. Sie deckt auf wie und warum jeder einzelne auf gewisse Weise handelt und wie er denkt. Dabei mischt sie gekonnt die eigene Wahrnehmung der Charaktere mit den Hintergründen und kleinen persönlichen Abgründen, die ihnen selbst verborgen bleiben. Es ist total interessant einen so tiefen Einblick in jeden der Charaktere zu erhalten. Da man es hier gleich von Anfang an mit vielen Männern zu tun hat, lassen sich durch die genauen Beschreibungen alle viel besser unterscheiden. Bei so viel Personal sehr wichtig und super gelöst!

Sehr gefallen hat mir wie alles erzählt wird. Mit Edward Moody zusammen trifft man als Leser als Neuling auf die Bewohner Hokitikas und platz gleich in eine geheime Versammlung. Zusammen mit ihm wird dem Leser erklärt was bisher alles passiert ist. Und als kleines Highlight weiß man, dass Moody ein Geheimnis hat, das mit den Geschehnissen in der Stadt zusammenhängen könnte. Diese Erzähltechnik zieht mit und man will immer weiterlesen, mehr erfahren und hinter die vielen Rätsel kommen. Super praktisch war das kleine Verzeichnis der Personen gleich zu Anfang. Hier konnte man schnell mal sein Gedächtnis auffrischen. Und irgendwie sehr niedlich fand ich die kurzen Zusammenfassungen zu Beginn jedes Kapitels, sowie die Bezüge zu Sternenkonstellationen und Astronomie. Der ganze Roman wirklt einfach rund und durchdacht.

Am beeindruckendsten ist eigentlich die Story selbst. Es gibt so viele Verstrickungen, Geheimnisse und Verbindungen, dass ich vor Catton für die Idee und Umsetzung nur den Hut ziehen kann! Stück für Stück ergeben sich neue Informationen aber auch neue Fragen. Wurde Crosbie Wells ermordet? Was ist mit seiner mysteriösen Witwe und dem Goldfund? Was hat Politiker Lauderback damit zu tun? Was hat Moody auf dem Schiff gesehen? Ist Carver wirklich ein Verbrecher? Was ist in der verschwundenen Seekiste? Was geschah in A Suks Vergangenheit? Wo ist Emery Staines? Was verschweigt Anna Wetherell? Es gibt so viele Rätsel und Fragen die Catton aufwirft und tatsächlich auch sinnvoll löst. Trotzdem hatte ich nie das Gefühl der Story nicht folgen zu können. Eine tolle Leistung.

Mein einziger Kritikpunkt ist, dass man in der Geschichte keine Figur hatte, mit der man sich komplett identifizieren oder mit der man mitfiebern konnte. Die Perspektive wechselt immer. Zwar fand ich die Charaktere durchweg spitze, aber durch den nüchternen Erzählton und eben diesen Wechsel fehlte mir ein Stück weit die emotionale Bindung. Trotzdem habe ich Die Gestirne super gerne gelesen. Die Atmosphäre war toll, genauso wie Schreibstil und Sprache. Ich bin immer wieder gerne in die Welt der Goldgräber zurückgekehrt und hätte auch noch ewig weiterlesen können.

Ich liebe ja generell solche komplexen Geschichten mit viel Personal. Ich weiß aber auch, dass das nicht jedermanns Sache ist. Wer aber zum Beispiel Die tausend Herbste des Jakob De Zoet, Der Übergang, Limit, Die Korrekturen oder auch Ein plötzlicher Todesfall mochte, der ist mit Die Gestirne bestens beraten.

Kommentare

Naibenak kommentierte am 01. Februar 2016 um 09:24

Richtig schöne Rezi! ♥ Ich liebäugel ja schon ein Weilchen mit diesem Buch! Du hast es mir nur noch schmackhafter gemacht :-) Dankeschön!!!

LySch kommentierte am 20. Februar 2017 um 14:03

Ich habe es zu Weihnachten bekommen und freue mich nach dieser Rezi noch mehr darauf! <3