Rezension

Versailles, 1755 – Paris, 1789

Die letzte Tochter von Versailles -

Die letzte Tochter von Versailles
von Eva Stachniak

Bewertet mit 5 Sternen

Französische Revolution (vorher & während)

Versailles 1755. Es fehlen nur noch wenige Jahrzehnte (1789) bis zur Französischen Revolution. In Frankreich verarmt die Bevölkerung zunehmend, während der Adel die Reichtümer des Landes verprasst.
Ludwig, der 15., nimmt sich seine Geliebten wie es ihm passt, rücksichtslos. Denn es geht ja nur um ihn und seinem Lustgewinn. Als Feudalherr kann er das. (Die königlichen Hunde werden  besser behandelt als seine Bettgefährtinnen, die sich das Ganze aufzwingen lassen müssen. Heute würde man dazu 'Vergewaltigung' sagen). Bald gibt es auch einen Begriff für diese jungen Frauen - die Hirschpark Mädels. Es sind blutjunge Schönheiten aus dem einfachen Volk. Doch sobald sie schwanger sind mit königlichen Bastarden wird solch einer jungen Frau das Kind weggenommen. Man entlohnt sie gut für ihre königlichen Dienste - aber das war's!

Hintergrund zum Roman ist eine höchst turbulente Zeit in Frankreich (die bis heute das Land prägt - liberte-egalite-fraternite). Am Beispiel von Veronique, aus einer verarmten Familie ohne Vater, wird gezeigt wie sie schutzlos zum Spielball wird. Ihr Kind wächst mutterlos heran und die Revolution naht mit Siebenmeilen Schritten.

Wie ergeht es nun einem königlichen Bastard? Denn Verbindungen zur Aristokratie sind nicht gern gesehen, egal wie sie zustande kamen. (Gerne in Romanen ein Thema, ein aristokratisches Findelkind.... siehe 'Kaspar Hauser')

Paris, 1789
Eine Frau rennt einem Wagen hinterher, der Mann auf dem Wagen (auf dem Weg zum Schafott) schaut zu ihr hin, beobachtet sie. Der letzte Liebesbeweis!

Versailles, 1755
Eine ärmliche Familie, Vater tot, Witwe klagend, einzige Tochter muss alles machen, drei Söhne, die nur herum toben. Die Tochter wird mehr oder weniger verkauft. Frauenschicksal im 18. Jahrhundert.

Es ist ein Sittenbild einer Zeit, in der die Menschen rechtlos waren, eine Frau nichts galt und die Revolution von Männern gemacht war, die sich selbst gegenseitig umbrachten (die Revolution frisst ihre Kinder).

Stil: Sehr wortgewaltig mit interessanten Metaphern:
Z.B. im Prolog - Paris 1793, der Morgen ist frisch, der Himmel eierschalenblau… (wie sieht ein Eierschalen blauer Himmel aus?).
Madame Guillotine ist nicht schnell genug…

Das Buch ist hochspannend! Schwer aus der Hand zu legen, das Lesen verursacht gemischte Gefühle: Wut auf diejenigen, die andere respektlos und wie ihr Eigentum behandeln. Freude über diejenigen, die viel Liebe und Zuneigung den gebeutelten Menschen zeigen. Gleichzeitig fühlt man durchaus auch Mitleid mit den schlimmen Charakteren - sie sind ebenfalls nur Spielball im Gespinst der Intrigen und Machtgelüsten. Ein König war nicht wirklich frei, denn er war starren Regeln unterworfen, umgeben von Menschen, die ihn kontrollierten. Nur ein willenstarker Mensch konnte sich diesem Spinnennetz entziehen.
Die Autorin zeichnet die unterschiedlichen Charaktere im Buch sehr feinsinnig. Auffallend jedoch, dass diese Menschentypen auch heute noch existieren.

Buchumschlag: Ein luxuriöses weißes Kleid an einer jungen Frau im Spiegelsaal von Versailles. Spricht eine Leserschaft an, die an Historischem interessiert ist

Eine englische Originalausgabe erscheint 2022, School of Mirrors, Penguin Random House Canada. Die deutsche Erstausgabe erschien im Insel Verlag 2021.